Nach 100 Tagen Schwarz-Rot hagelt es von der Opposition Kritik. In der Koalition selbst sieht man noch "Luft nach oben". Das Resümee von Kanzler Merz: Es sei bereits einiges auf den Weg gebracht worden, aber noch "viel zu tun."
Nach den ersten 100 Tagen im Amt hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in einem Video eine Bilanz gezogen. Auf der Online-Plattform X sprach er von einem "Politikwechsel", der eingeläutet sei. "Deutschland ist wieder verlässlicher Partner in Europa und weltweit", erklärte Merz . "Wir haben die Wirtschaftswende eingeleitet und die Migrationspolitik der vergangenen Jahre korrigiert. Der Anfang ist gemacht." Es bleibe aber "noch viel zu tun", sagte der Kanzler.
"100 Tage sind wir an der Arbeit, um die Lebensbedingungen für die Menschen in Deutschland zu verbessern", sagte Merz in der Video-Botschaft. "Wir haben einiges auf den Weg gebracht. In Deutschland wird wieder investiert. Die Stimmung in der Wirtschaft wird langsam besser."
Deutschland müsse ein "modernes Industrieland" bleiben
Die Bundesregierung habe dafür gesorgt, "dass die Investitionsbedingungen für die Unternehmen wieder besser werden". Ziel müsse es sein, dass Deutschland ein "modernes Industrieland" bleibe, sagte Merz weiter. "Wir kämpfen darum, dass die Industrie in Deutschland, auch die moderne Industrie, zusammen mit KI, und vielen anderen modernen Entwicklungen einen Standort hat." Merz verwies dabei auf Konkurrenz aus dem Ausland. "Die Welt schläft nicht", sagte er. "Wir müssen Schritt halten - auch mit Forschung, Entwicklung, mit wirklich gut bezahlten hochqualifizierten Arbeitsplätzen."
Bei Brücken, Straßen, Infrastruktur hole Deutschland nun gleichzeitig "etwas nach, was wir eigentlich alle in den letzten Jahrzehnten längst hätten machen müssen", sagte Merz offenbar mit Blick auf das 500 Milliarden Euro schwere Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz. Auch bei Verteidigung investiere Deutschland nun "in die Bundeswehr so viel wie nie zuvor".
Rufe nach Zusammenhalt aus der Koalition
Gestern hatte es 100 Tage nach dem Start der Regierung Kritik von Opposition und Verbänden gegeben. Innerhalb der Regierung forderten einige Koalitionäre eine bessere Kooperation. So räumte Unionsfraktionschef Jens Spahn Probleme bei der Kommunikation ein. Da sei noch "Luft nach oben", sagte er am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. Die Koalitionäre müssten künftig pragmatischer werden und wissen, was man einander zumuten könne.
Auch SPD-Fraktionschef Matthias Miersch forderte, Probleme in der Zusammenarbeit schnell abzustellen. "Jenseits der zentralen Inhalte und gemeinsamen Ziele hat es an der einen oder anderen Stelle in der Zusammenarbeit nicht gut funktioniert. In der öffentlichen Wahrnehmung überlagert dies zu oft die inhaltlichen Erfolge. Das muss sich unbedingt ändern."
"Unsoziale Politik", "Vertrauen verspielt": Kritik von der Opposition
Deutliche Kritik gab es gestern aus der Opposition: Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek warf der schwarz-roten Koalition eine unsoziale Politik vor. "Unsere Erwartungen an diese Regierung waren niedrig, doch die ersten 100 Tage der Merz-Regierung waren an Verantwortungslosigkeit und sozialer Kälte kaum zu überbieten", sagte sie dem Tagesspiegel.
Die AfD-Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla sagten: "Der dramatische Einbruch der Zustimmungswerte für den Bundeskanzler und seine Regierung zeigt: Die Koalition hat schon jetzt jedes Vertrauen verspielt". Merz habe seit seiner Wahl "viele Baustellen aufgemacht, aber nichts zu Ende geführt".
Kritik kam auch von den Grünen: Der Kanzler habe "den großen Aufbruch angekündigt, zu besichtigen ist der Rückschritt", sagte Grünen-Parteichef Felix Banaszak den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). Er und Parteichefin Franziska Brantner sehen Versäumnisse der Regierung in mehreren Bereichen, darunter Klima, soziale Gerechtigkeit sowie Außenpolitik.
Enttäuscht äußerten sich auch Diakoniepräsident Rüdiger Schuch und VdK-Präsidentin Verena Bentele. "Ich habe immer stärker das Gefühl, dass die Regierung den Sozialstaat nur als Problem wahrnimmt", sagte Schuch in der Augsburger Allgemeinen. Bentele kritisierte, "statt zu betonen, wie wichtig ein gut funktionierender Sozialstaat für den demokratischen Zusammenhalt ist, wird teilweise faktenfrei über Einsparungen und Kosten lamentiert".
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