Die Bundeswehr braucht nicht nur Geld, sie braucht auch dringend Personal. Heute will die Bundesregierung das neue Wehrdienstgesetz auf den Weg bringen. Das setzt größtenteils auf Freiwilligkeit. Funktioniert das?

Ein paar Wochen ist es her, dass der Bundesverteidigungsminister in der Talkshow von Caren Miosga saß. Boris Pistorius sprach darüber, dass die Bundeswehr dringend mehr Personal braucht.

"Wie soll das gehen - ohne Wehrpflicht?", fragte die Moderatorin und der Minister antwortete leicht genervt: "Das ist eine beliebte Frage, die ich immer wieder gerne beantworte." Dass es eine wichtige Frage ist, weiß Pistorius auch. Ebenso ist ihm klar, dass die Antwort heikel ist. Er ist gefangen zwischen öffentlicher Debatte, der eigenen Partei und dem Koalitionspartner.

Vom Wehrdienstleistenden zum Reservisten

Die Bundeswehr muss wachsen - um 60.000 bis 80.000 Soldatinnen und Soldaten. Dafür brauche es nicht unbedingt die Wehrdienstleistenden, stellte der Minister klar. "Die brauchen wir vor allem, um eine aufwuchsfähige Reserve zu haben."

Der Plan ist, dass die jungen Soldatinnen und Soldaten bleiben. Aus Wehrdienstleistenden werden Reservisten. Los geht es aber erst einmal mit einem Fragebogen, der wird ab nächstem Jahr verschickt. Männer müssen ihn ausfüllen, Frauen können. Abgefragt wird, wer Interesse hat, freiwillig Wehrdienst zu leisten. Später soll die Musterung dann für alle jungen Männer vorgeschrieben sein.

Wehrverband: Bundeswehr braucht Profis

Heißt also: Eher Dienst und ein bisschen Pflicht. Aber kann das funktionieren? Darüber wird diskutiert. André Wüstner vom Bundeswehrverband zweifelt, dass Freiwilligkeit ausreicht. "Wir haben keine Zeit", mahnt er. Jetzt gehe es darum, einen politischen Willen zu formulieren.

"Wenn es freiwillig geht: gut. Ganz ehrlich, ich glaube nicht daran. Deswegen Pflicht vorbereiten." Wüstner argumentiert, es brauche Profis - also Berufs- und Zeitsoldaten. Und dazu komme ein Fundament "an jungen Mannschaftsdienstgraden". Beides habe die Bundeswehr nicht.

Union hat Redebedarf

Ähnlich sieht es die Union. Sie wünscht sich, dass die Wehrpflicht automatisch kommt, wenn Ziele nicht erreicht werden. Der Außenminister hatte sogar einen Ministervorbehalt eingelegt; eine Art Veto, das Johann Wadephul wieder zurückzog. Dass aber ein Signal sendet: Wir müssen noch einmal reden.

Verteidigungsminister Pistorius ist wahrscheinlich gar nicht wirklich anderer Meinung. Er weist aber darauf hin, dass ein Wehrdienst wie früher nicht so einfach eingeführt werden kann. Und das muss auch der Kanzler einräumen. Friedrich Merz spricht über Kasernen und Ausbilder, die fehlen: "Wir könnten, selbst, wenn wir alle zusammen wollten, heute das im Jahr 2011 ausgesetzte Wehrpflicht-Gesetz nicht einfach wieder in Kraft setzen."

Nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt

Es war 1956, da wurde die Wehrpflicht in Westdeutschland eingeführt, sechs Jahre später in der DDR. 2011 dann, der Kalte Krieg ist lange vorbei, war es das vorerst mit der Wehrpflicht. Die sei nicht abgeschafft, sondern nur ausgesetzt, verkündet damals Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg. Denn niemand wisse, was in 20 oder 30 Jahren sei.

So lange hat es gar nicht gedauert. 2022 überfällt Russland die Ukraine. Und es stellen sich neue alte Fragen: Können wir uns verteidigen und woher kommen die Soldaten? Über den Wehrdienst will Verteidigungsminister Pistorius zusätzlich bis zu 5.000 pro Jahr gewinnen. Um sie zu locken, soll die Bundeswehr attraktiver werden. Das heißt zum Beispiel mehr Geld.

"Junge Menschen wollen gehört werden"

Doch ums Geld allein geht es nicht. Daniela Broda ist die Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendrings. Sie sieht die Debatte um den Wehrdienst kritisch. "Junge Menschen wollen gehört werden. Sie wollen echt beteiligt werden." Broda möchte, dass junge Menschen gefragt werden - auch wenn im Bundestag diskutiert wird. Sie hat einen konkreten Vorschlag: Warum nur im Verteidigungsausschuss über Wehrdienst oder Wehrpflicht sprechen und nicht im Ausschuss für Familie und Jugend?

Dass diskutiert wird, sei auch eine Chance, sagt André Wüstner vom Bundeswehrverband. Nicht nur, um den Menschen klarzumachen, "dass ein Wir vor dem Ich steht." Sondern, dass es auch darum gehe, wieder wehrhafter zu werden.

"Nicht weil wir Krieg führen wollen, sondern weil wir abschrecken wollen. Weil wir weiterhin in Frieden und Freiheit leben wollen", so Wüstner. Und das heißt, dass sich wieder die Frage stellen wird: Wie soll das gehen - ohne Wehrpflicht?

Gabor Halasz, ARD Berlin, tagesschau, 27.08.2025 05:42 Uhr

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