Das Ansehen der Bundesregierung ist nach vier Monaten im Amt auf einem Tiefstand. Dabei kommen viele Reformvorschläge von Schwarz-Rot bei den Deutschen gut an. SPD-Ideen für Steuererhöhungen halten auch viele Unionsanhänger für richtig.
Ein gemeinsames Selfie der Koalitionsspitzen auf der Mainbrücke in Würzburg läutete den "Herbst der Reformen" ein. Vergangene Woche trafen sich Union und SPD, um einen Sommer mit Differenzen hinter sich zu lassen und Vertrauen zueinander aufzubauen.
Doch schon zu Beginn dieser Woche gab es wieder Dissens bei der großen Frage, wie der Sozialstaat zukunftsfähig gemacht werden kann. Dem Umgang der Regierungsparteien untereinander stellen die Deutschen im ARD-DeutschlandTrend ein schlechtes Zeugnis aus: 77 Prozent sind unzufrieden damit, wie CDU/CSU und SPD in der Bundesregierung miteinander umgehen. Das hat eine repräsentative Umfrage unter 1.342 Bürgern von Montag bis Dienstag dieser Woche ergeben.
Unzufriedenheit nähert sich "Ampel-Niveau"
Dauerstreit und mangelhafte Kommunikation waren der vorherigen Ampelkoalition zum Verhängnis geworden: Sie war im November 2024 bei einem historischen Tiefstand von 14 Prozent Regierungszufriedenheit zerbrochen. Die aktuelle schwarz-rote Koalition konnte die Zufriedenheit zwar auf 40 Prozent im Juni erhöhen, doch nach mehr als 100 Tagen im Amt sagen aktuell noch 22 Prozent, dass sie mit der Arbeit der Bundesregierung sehr zufrieden oder zufrieden sind.
Zum Vergleich: Die im Dezember 2021 gestartete Ampelkoalition hatte im April 2022 einen mehr als doppelt so großen Rückhalt in der deutschen Bevölkerung (47 Prozent).
Zwei Drittel der Unions-Anhänger für Steuererhöhungen
Die Uneinigkeit der Koalitionspartner zeigt sich zum Beispiel bei der Frage, wie die Haushaltslücke geschlossen werden soll. SPD-Finanzminister Lars Klingbeil wiederholte zuletzt seine Forderung nach höheren Steuern für Spitzenverdiener. Dafür hätte er Unterstützung in der deutschen Bevölkerung: Zwei Drittel (65 Prozent) halten aktuell eine Anhebung der Steuern auf hohe Einkommen für die richtige Richtung - im Übrigen auch zwei Drittel (66 Prozent) der Anhänger der Union.
Eine Anhebung der Steuern auf hohe Erbschaften hält gut die Hälfte aller Deutschen (51 Prozent) für den richtigen Weg - auch die Unions-Anhänger (51 Prozent). Allerdings spricht sich Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) strikt gegen Steuererhöhungen aus und verweist auf den Koalitionsvertrag, der derartige Maßnahmen ausschließe.
Auch Anhänger anderer Parteien halten Steuererhöhungen auf hohe Einkommen bzw. hohe Erbschaften mehrheitlich für richtig - so etwa SPD-Anhänger (84 bzw. 64 Prozent), Grünen-Anhänger (88 bzw. 83 Prozent) und Anhänger der Linkspartei (84 bzw. 68 Prozent). Die Anhänger der AfD sehen solche Erhöhungen kritischer: nur 40 bzw. 27 Prozent finden, dass eine Anhebung der Steuern auf Einkommen bzw. Erbschaften in die richtige Richtung gehen. Dadurch kommt der durchschnittliche Zustimmungswert von 65 bzw. 51 Prozent zustande.
Mehr Härte beim Bürgergeld kommt gut an
Einigkeit bestand vergangene Woche in Würzburg darüber, dass es härtere Sanktionsmaßnahmen für Bürgergeld-Empfänger geben müsse, die etwa grundlos Termine versäumen oder Jobangebote mehrfach ablehnen. Eine solche Maßnahme erfährt auch Unterstützung in der Bevölkerung: 86 Prozent der Bürger halten einen solchen Vorschlag aktuell für den richtigen Weg.
Ein offener Punkt ist die Frage, wie ein Rentensystem zukunftsfähig gemacht werden soll, das Merz für "nicht mehr finanzierbar" hält. Die Koalition verknüpft das Rententhema auch mit der Frage, wie der Arbeitsmarkt in Schwung gebracht werden kann. So haben sich die Regierungsparteien unter anderem auf die Einführung einer Aktivrente geeinigt: Diese soll Rentnern, die auch nach dem Renteneintritt freiwillig weiterarbeiten möchten, eine Steuerfreiheit von 2.000 Euro monatlich gewährleisten. Acht von zehn Deutschen (80 Prozent) sind aktuell der Ansicht, dass diese Maßnahme in die richtige Richtung geht.
Eine generelle Erhöhung des Renteneintrittsalters, etwa auf 70 Jahre, fände aktuell jedoch keine Mehrheit in der deutschen Bevölkerung: Lediglich 13 Prozent sind der Ansicht, dass eine solche Maßnahme in die richtige Richtung gehe. Allerdings steht eine Erhöhung des Renteneintrittsalters derzeit auch nicht zur Diskussion.
Nur wenige machen sich Sorgen um den Job
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt haben sich die Regierungsparteien vergangene Woche auf zwei weitere Maßnahmen geeinigt: So sollen Überstundenzuschläge künftig steuerfrei sein. 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sind aktuell der Ansicht, dass diese Maßnahme in die richtige Richtung geht, 14 Prozent sind dagegen.
Eine Umstellung der täglichen Höchstarbeitszeit für Beschäftigte auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit halten aktuell 48 Prozent für den richtigen Weg.
Obwohl die Zahl der Arbeitslosen mit drei Millionen zuletzt einen Höchststand seit 2015 erreicht hat, machen sich die Bürger derzeit kaum Sorgen um ihren eigenen Arbeitsplatz: Acht von zehn (80 Prozent) Erwerbstätigen haben wenig bis gar keine Sorgen, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren, nur knapp zwei von zehn (17 Prozent) machen sich große oder sehr große Sorgen um den Arbeitsplatz.
Sorge um Wirtschaftsstandort und Lebensstandard
Die größte Sorge gilt derzeit der Wirtschaft: Drei Viertel, nämlich 76 Prozent, machen sich aktuell generell Sorgen um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) macht sich darüber hinaus Sorgen, dass der eigene Lebensstandard künftig nicht mehr gehalten werden kann.
Ähnlich sieht es beim Blick auf die eigene Altersvorsorge aus: 51 Prozent befürchten Geldprobleme im Alter. Mit Blick auf die Frage, welche der beiden Regierungsparteien aktuell die überzeugendsten Ideen dafür hat, wie der Wirtschaftsstandort in Deutschland gesichert werden kann, liegt die Union vorne: 37 Prozent trauen CDU/CSU aktuell zu, die Wirtschaft im Land voranzubringen. Lediglich 8 Prozent trauen das dem Koalitionspartner SPD zu.
Auch in einem anderen Politikfeld liegt die Union vorne: 25 Prozent der Deutschen sind der Ansicht, die CDU/CSU betreibe eine gute Steuer- und Finanzpolitik, 16 Prozent trauen das der SPD zu. Mit Blick auf die Altersversorgung sehen die Deutschen die Kompetenzen etwas weniger bei der CDU/CSU (19 Prozent) und leicht stärker bei der SPD (22 Prozent).
In der Frage, wer für soziale Gerechtigkeit sorgen kann, sehen die wahlberechtigten Deutschen die Kompetenz eher bei der SPD (27 Prozent) als bei CDU/CSU (16 Prozent).
Sonntagsfrage: Abstand zwischen Union und AfD verringert sich weiter
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die Union aktuell auf 27 Prozent (+-0 im Vgl. zu August). Die AfD würde mit aktuell 25 Prozent (+1) ihren bisherigen Höchstwert erreichen. Die SPD käme aktuell auf 14 Prozent (+1).
Die Grünen würden mit einem Prozentpunkt weniger als im Vormonat auf 11 Prozent landen. Die Linke stünde unverändert bei 10 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (4 Prozent, +1) und die FDP (3 Prozent, -1) würden den Einzug in den Bundestag verpassen.
Untersuchungsanlage Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in DeutschlandErhebungsmethode: Zufallsbasierte Online- und Telefon-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 1. bis 2. September 2025
Fallzahl: 1.342 Befragte (800 Telefoninterviews und 542 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent, 3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1.000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.
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