Die AfD sucht die Nähe der Trump-Regierung - dabei ist ein großer Teil ihrer Anhängerschaft mindestens US-skeptisch. Nicht immer gelingt es der AfD-Führung, den Widerspruch aufzulösen.
Dass ein AfD-Lokalpolitiker aus Rheinland-Pfalz zum Thema wird bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus in Washington, ist mindestens ungewöhnlich. Ob US-Präsident Donald Trump sich in den Fall Joachim Paul einzumischen gedenke, fragt ein Journalist. Paul sei von der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen ausgeschlossen worden, die ermittelnden Behörden in Deutschland würden ihn einen Extremisten nennen - wegen seiner Vorliebe für den Fantasy-Klassiker "Der Herr der Ringe" von J. R. R. Tolkien.
Die Sprecherin der US-Regierung geht in ihrer Antwort nicht wirklich auf die Frage ein, versichert aber, dass Präsident Trump sich weltweit für die Redefreiheit und gegen Zensur einsetzen würde.
Kontakte in die rechtsextreme Szene
Dennoch hat das "Herr der Ringe"-Narrativ der AfD damit die höchstmögliche Aufmerksamkeit bekommen. Aber was ist dran? Anfang August hatte der Wahlausschuss der Stadt Ludwigshafen die Bewerbung des AfD-Kandidaten Joachim Paul für die Oberbürgermeisterwahl zurückgewiesen. Der Grund: Zweifel an seiner Verfassungstreue, ausgehend von einem Schreiben des Verfassungsschutzes. Das elfseitige Papier liegt dem ARD-Hauptstadtstudio vor.
Darin geht es unter anderem um Pauls Kontakte in rechtsextreme Kreise, zum Beispiel hat er ein Vernetzungstreffen namens "Messe des Vorfelds" organisiert. Und ja, auch "Ringe der Macht" wird erwähnt - eine Serie, die vor "Der Herr der Ringe" spielt.
Allerdings nicht, weil Joachim Paul das gerne guckt, sondern weil er einen Artikel geschrieben hat für ein österreichisches Magazin, in dem er vom Werk Tolkiens ausgehend "Parallelen zum Nationalismus und der von der Neuen Rechten verfolgten 'Konservativen Revolution' zog", heißt es im Verfassungsschutzbericht.
Klage vor dem Verfassungsgericht blieb erfolglos
Joachim Paul hat sich vor Gericht gegen den Ausschluss seiner Kandidatur gewehrt, am Ende scheiterte er in letzter Instanz vorm Bundesverfassungsgericht. Damit ist bestätigt: Paul wird nicht zur Oberbürgermeisterwahl zugelassen.
Die Kriminalpolizei Ludwigshafen ermittelt in mindestens 44 Fällen wegen des Verdachts der Bedrohung oder Beleidigung gegen Mitglieder des Wahlausschusses.
AfD sucht Nähe zu Autokratien
Wieso aber ist all das Thema im Weißen Haus? Mit Paul war AfD-Grandin Beatrix von Storch nach Washington gereist. Von Storch ist so etwas wie die inoffizielle Außenministerin der AfD, sie hat sich im Namen ihrer Partei zum Beispiel auch schon mit dem brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro getroffen.
In einem Interview mit einer rechtspopulistischen Plattform betont sie nach dem Treffen in der US-Hauptstadt, wie wichtig der AfD momentan gute Beziehungen zu den USA seien oder viel Handel mit Russland - und dass die Trump-Regierung "volles Verständnis" dafür habe, dass die AfD auf gute Kontakte zu Ex-Präsident Joe Biden nicht denselben Wert gelegt hatte.
AfD-Chefin Alice Weidel wiederum trifft sich regelmäßig mit dem chinesischen Botschafter. Ob Russland oder China - die AfD nähert sich autokratischen Regierungen immer wieder an, mal ganz offen, mal möglichst versteckt.
US-Kritik weit verbreitet
Beim Blick nach Amerika unterscheidet die AfD allerdings stark zwischen Trump als Person und den USA als System. Denn die Anhängerschaft der AfD ist vor allem in Ostdeutschland eher US-kritisch, gegen deren globale Vormachtstellung und vermeintlich elitäre Dekadenz.
Zwar sonnt sich die AfD gerne in der Macht und Strahlkraft von Donald Trump und seiner Regierung. Weidel hat sich im Bundestagswahlkampf stolz mit dem zwischenzeitlich geschassten Elon Musk geschmückt, am Rande der letzten Münchener Sicherheitskonferenz traf sie sich mit US-Vize JD Vance.
Aber als nationalistische Partei stößt sie argumentativ immer wieder an ihre Grenzen, denn "Amerika zuerst" bedeutet gleichzeitig "Deutschland irgendwo dahinter".
Schwierige Basis
Als Trump im April die Zölle für die EU erhöhte, machte er für Deutschland selbstverständlich keine Ausnahme, Kuschelkurs mit AfD hin oder her. Da schlug selbst Weidel auf einer Pressekonferenz ungewohnt kritische Töne an. Ihre Botschaft an Trump sei, dass Zölle "grundsätzlich schlecht für den freien Handel" seien. Hätte die AfD einen Regierungsauftrag bekommen, säße Weidel "schon lange in den USA am Tisch und würde die Zölle wegverhandeln". Aber mit der EU werde Trump nicht verhandeln, prophezeite Weidel, die sei ihm zu schwach.
Im weitesten Sinne "wegverhandelt" beziehungsweise zumindest für die EU reduziert hat die Zölle dann später nicht Alice Weidel, sondern erwartungsgemäß EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Aber Weidel hat eine Stolperschwelle identifiziert, auf die sie immer wieder achtgeben muss, auch im Umgang mit China oder Russland: Wenn zwei ultranationalistische Lager aufeinandertreffen, werden Kompromisse mindestens schwierig.
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