Angesichts der Weltlage gibt es für Friedrich Merz genügend Gründe, seine Politik zu erklären. Auch im Bundestag zeigte sich nun: Der Kanzler ist aktuell vor allem auf außenpolitischer Mission.
Es waren turbulente Tage für Friedrich Merz. Mehrfach wurde der Kanzler zuletzt nachts geweckt und über Militärschläge informiert. Das Sicherheitskabinett kam zusammen, um die sich zuspitzende Krise im Nahen Osten zu bewerten, immer im Wissen, welche Rolle Deutschland spielt, nämlich eher die des interessierten Zuschauers. Zuletzt, als sich die USA entschieden, in den Krieg einzugreifen und Irans Atomprogramm mit bunkerbrechenden Bomben attackierten.
Die Weltlage wird auch bei den Gipfeln von NATO und EU im Mittelpunkt stehen, die Merz als Anlass für seine heutige Regierungserklärung nahm. Der NATO-Gipfel am Abend ist der erste für den Kanzler und gleichzeitig einer der wichtigsten in der Geschichte des Verteidigungsbündnisses. Krisen, Kriege und deutlich höhere Kosten für Verteidigung in Zukunft: mehr als genug Gründe für Merz, seine Politik im Bundestag zu erklären.
Merz wusste, was auf ihn zukommt
Was die NATO betrifft, steht vor dem Gipfel in Den Haag schon fest, was hinterher rauskommen wird. Das Verteidigungsbündnis will aufrüsten, und zwar massiv. Für Deutschland bedeutet das: Ausgaben im dreistelligen Milliardenbereich. Selbst Menschen, die sich in den vergangenen Jahren an hohe Summen gewöhnt haben, dürfte schwindelig werden. Die Bundesregierung will zusichern, künftig 3,5 Prozent für Verteidigung auszugeben und darüber hinaus 1,5 Prozent für eine kriegs- und krisenfeste Infrastruktur. Zusammengenommen steht eine Summe von mehr als 200 Milliarden Euro pro Jahr im Raum.
Merz wusste schon im Moment seiner Wahl, was außenpolitisch auf ihn zukommen würde. Und das liegt vor allem an Donald Trump. Dem unberechenbaren US-Präsidenten, mit der Neigung zu Ad-hoc-Entscheidungen. Es ist ebenjener Donald Trump, der seit jeher bemängelt, dass die NATO-Partner und insbesondere Deutschland zu wenig zum Bündnis beitragen. Ganz konkret: zu wenig Geld zahlen und so die USA ausnutzen würden.
Merz sagte in seiner Regierungserklärung, er tue das nicht für die USA oder deren Präsidenten, sondern für die eigene Sicherheit. Nur aus einer Position der Stärke lasse sich gegenüber Ländern wie Russland Politik machen. Vor allem in der AfD und bei den Linken sieht man das anders. Co-Parteichef Sören Pellmann (Linke) sprach nach Merz' Erklärung angesichts der Summen von "Irrsinn".
Der Kanzler wirkte jedoch entschlossen. Angesichts der vielfältigen Bedrohungen durch Russland müsse die NATO zusammenstehen, die Sicherheit Litauens sei auch die Sicherheit von uns. Deutschland solle jetzt vorangehen. "Wir können Probleme aus eigener Kraft lösen", sagte Merz selbstbewusst.
Kritik an der Krisenkommunikation
Für die gegenwärtige Krisenkommunikation musste Merz in der Debatte im Anschluss an seine Erklärung Kritik einstecken. Die AfD warf ihm Doppelmoral vor und empörte sich über die Verwendung des Wortes "Drecksarbeit" im Zusammenhang mit den israelischen Angriffen auf den Iran. Die Grünen kritisierten die unterschiedliche Sprache, die der Kanzler und sein Außenminister zuletzt nutzten.
Es mag vielleicht die Idee von "good cop, bad cop" dahinterstecken. In jedem Fall sah sich Merz heute bemüßigt, seinem Außenminister und Parteifreund Johann Wadephul fast schon überschwänglich zu danken. Das Signal: Zwischen uns passt kein Blatt - wir arbeiten eng und vertrauensvoll zusammen. Auch von der SPD gab es Lob für Wadephul. Vor allem für dessen diplomatische Bemühungen.
Kein Wort zum Völkerrecht
Was an Merz' Rede auffiel: Er sprach in keinem Satz über das Völkerrecht. Kein Wort zur Kritik an ihm und seiner Solidarität mit dem Vorgehen von Israel und den USA. Diverse Völkerrechtler haben massive Zweifel, ob der Angriff auf den Iran völkerrechtlich gedeckt war. Und so nutzte Britta Haßelmann von den Grünen die Merzsche Leerstelle. Es brauche die Stärke des Rechts, und nicht das Recht der Stärkeren, sagte sie. Ein viel zitierter Satz dieser Tage.
Während dieser Debatte saß Merz ruhig auf seinem Stuhl und bearbeitete Akten. Er dürfte während der Aussprache gedanklich schon längst in den Niederlanden gewesen sein. Der Kanzler ist in diesen Wochen vor allem auf außenpolitischer Mission.
Torben Ostermann, ARD Berlin, tagesschau, 24.06.2025 18:24 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.