Aus guten Gründen bekommt man vom Parlamentarischen Kontrollgremium selten etwas mit. Gerade wurde es neu besetzt - ohne Linken-Kandidatin Reichinnek und ohne AfD-Abgeordnete. Die Linkspartei kann aber noch hoffen.
Vom Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) hört man die meiste Zeit nichts - und das soll so sein. Seine Aufgabe: Die Überwachung der Nachrichtendienste, also Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst.
Inhaltlich geht es aktuell beispielsweise um die Situation im Nahen Osten, um den Krieg gegen die Ukraine, um hybride Bedrohung aus Russland oder Spionage aus China. Und immer um die Frage, welche Informationen die Nachrichtendienste dazu erlangen, nutzen und weitergeben.
In dieser Legislatur sollte - theoretisch - die Union drei Abgeordnete ins PKGr schicken, SPD und AfD jeweils zwei, Grüne und Linke jeweils einen - insgesamt also neun. Gewählt wurden am Ende aber nur sechs Mitglieder und selten wurde so lautstark über die Eignung von Kandidaten diskutiert.
Keine Posten für die AfD
Schon vor der Wahl im Bundestag war klar: Die AfD wird leer ausgehen. Ihr stehen aufgrund ihrer Fraktionsstärke zwei Sitze zu, aber schon der letzte Bundestag wählte keinen AfD-Abgeordneten in das PKGr. Die meisten Mitglieder der anderen Fraktionen begründen ihre Bedenken damit, dass eine Partei, die selbst vom Verfassungsschutz beobachtet wird, keinesfalls den Verfassungsschutz kontrollieren dürfe. Ebenso spielt die Nähe der AfD zu Russland und China eine Rolle.
Auch bei dieser Wahl haben die AfD-Kandidaten keine Mehrheit bekommen. Dagegen könnte die AfD vor Gericht ziehen, auf Landesebene hat sie das schon einmal getan. 2021 ist sie mit einem entsprechenden Antrag vor dem Bayerischen Verfassungsgericht gescheitert. Die Begründung: Die AfD habe nur ein Vorschlagsrecht für Entsandte, nicht aber ein Bestimmungs- oder Entsendungsrecht. Außerdem könne kein Mitglied des Landtages gezwungen werden, für einen Kandidaten zu stimmen, den sie nicht für vertrauenswürdig halten.
Union gegen Linkspartei
Die Linke hat nur einen Platz im PKGr und wollte den mit Fraktionschefin Heidi Reichinnek besetzen. Für CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann ist Reichinnek eine Provokation. Er wirft ihr ihre Kapitalismuskritik vor, sie habe zum "grundrechtlich garantierten Recht auf Eigentum ein offensichtlich gestörtes Verhältnis", sagte Hoffmann dem ARD-Hauptstadtstudio. Das sei verfassungsfeindlich und deswegen sei Reichinnek ungeeignet für das Gremium.
Die Fraktionschefin der Linken kontert, dass der Kapitalismus nicht von der Verfassung geschützt sei. Die Union würde eine Frage politisieren, "die parlamentarischer Usus ist, nämlich, dass alle demokratischen Fraktionen vertreten sind". Damit würde die Regierung der demokratischen Opposition nicht erlauben, ihre Rechte wahrzunehmen.
Außerdem erinnert Reichinnek daran, dass sie der Union bereits bewiesen habe, dass man mit ihr Politik machen könne. Als Friedrich Merz im ersten Durchgang nicht zum Kanzler gewählt wurde, war sie es, die den Weg freigemacht hat für einen zweiten Wahlgang am selben Tag. "Um Chaos im Parlament zu verhindern, das hätte auch anders laufen können", sagt Reichinnek.
Eine kleine Warnung für die Zukunft, wenn die Union das nächste Mal auf Stimmen der Linken angewiesen ist, zum Beispiel bei der Wahl von Verfassungsrichterinnen und -richtern. Politiker von Grünen und SPD hingegen erklärten, die Linken-Politikerin sei eine Demokratin, die man wählen könne. Unstrittig war hingegen, dass der grüne Kandidat Konstantin von Notz, in der letzten Legislatur Leiter des PKGr, wiedergewählt würde.
Union und SPD mit vielen neuen Mitgliedern
An die Mitglieder des PKGr stellt man Ansprüche höchster Vertraulichkeit und darüber scheint in der SPD Ralf Stegner gestolpert zu sein. Die Fraktionsspitze wollte ihn nicht mehr nominieren, er musste den Ausschuss verlassen. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, es liege an seinem Treffen mit russischen Vertretern in Aserbaidschan. Und daran, dass er das umstrittene SPD-Manifest unterzeichnet hat, das unter anderem eine Wiederannäherung an Russland fordert.
Für die SPD sind nun zwei neue Abgeordnete dabei: die Fraktionsvizechefin Sonja Eichwede und der Innenpolitiker Daniel Baldy. Die Union hat ihre drei Plätze besetzt mit dem voraussichtlich neuen Vorsitzenden des Gremiums Marc Henrichmann, dem innenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Alexander Throm und mit Heiko Hain von der CSU.
Handlungsfähigkeit des PKGr eingeschränkt
Dass nun weder Vertreter der Linken noch der AfD gewählt wurden, hat noch einen weiteren Haken. Nach dem PKGr-Gesetz braucht es für einige Beschlüsse eine Zweidrittel-Mehrheit. Mit nun nur sechs anstatt neun Mitgliedern bedeutet das rein rechnerisch: Sobald eine Person fehlt, zum Beispiel weil sie krank ist, ist das Gremium teils nicht beschlussfähig.
Außerdem sind von den aktuell sechs Mitgliedern vier ganz neu dabei, auch das könnte - zumindest zeitweise - eine Schwächung des Gremiums gegenüber den Nachrichtendiensten und der Regierung bedeuten. Denn in das PKGr muss man sich intensiv einarbeiten, das dauert.
Erfahrene Mitglieder nicht wieder aufgestellt
Aus Sicht des ehemaligen Gremiumsmitglied Konstantin Kuhle von der FDP wurden ohne Not bewährte Personen nicht wieder aufgestellt. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte Kuhle, dass er es bedauere, dass insbesondere Roderich Kiesewetter von der CDU und Marja-Liisa Völlers von der SPD nicht mehr vorgeschlagen wurden: "Kiesewetter könnte als früherer Soldat gerade in diesen Zeiten weiter eine sehr wichtige Rolle im Gremium spielen. Das gilt auch für die SPD-Verteidigungspolitikerin Marja-Liisa Völlers."
Beide seien "kluge und eigenständige Köpfe", die aber mitunter unbequem seien, weil sie sehr konkrete Nachfragen stellten. Unbequeme Fragesteller nicht mehr aufzustellen, sei das Gegenteil von wirksamer Kontrolle, argumentiert Kuhle: "Man könnte auch sagen: Weil Roderich Kiesewetter seinen Job gut gemacht hat, verliert er ihn jetzt. Das kann nicht richtig sein."
Weitere Wahlgänge könnten folgen
Noch ist in der Sache aber Bewegung. Es könnte in den nächsten Wochen weitere Wahlgänge geben mit anderen Kandidaten der Linken. Auf Nachfrage nennen Politiker der anderen Fraktionen auffällig oft Clara Bünger als möglicherweise wählbare Kandidatin, eine Juristin und versierte Innenexpertin. Vielleicht öffnet sich so noch eine Tür für die Linke ins PKGr. Bei der AfD scheint das ausgeschlossen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.