In der SPD rumort es mächtig beim Thema Außen- und Sicherheitspolitik. Auf dem Parteitag dürfte es daher viel Gesprächsbedarf geben. Nicht nur mit Blick auf das umstrittene "Friedens-Manifest".

Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl will sich die SPD auf ihrem Parteitag in Berlin neu aufstellen: Personell. Organisatorisch. Aber auch inhaltlich. Das Profil soll geschärft werden.  

Und das tut aus Sicht vieler Genossen gerade mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik dringend Not. Die Partei müsse klären, wofür sie stehe, sagt Dario Schramm, der extra zum Parteitag anreist. Nicht als Delegierter, sondern als Gast. Die SPD müsse sich positionieren mit Blick auf Russland, Aufrüstung und Wehrpflicht.

Das "Manifest" und seine Folgen

Die Frage, die manch einen umtreibt, ist, wie geschlossen die Partei hinter dem außenpolitischen Kurs steht, den Parteichef Lars Klingbeil 2023 eingeleitet hat. Damals brach die SPD vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine mit ihrer bisherigen Russlandpolitik. Statt um Sicherheit "mit" Russland ging es nun um Sicherheit "vor" Russland.      

Das "Manifest", das unter anderem von dem Parteilinken Ralf Stegner und dem langjährigen Fraktionschef Rolf Mützenich mit verfasst wurde, hat all das unlängst wieder infrage gestellt. Gefordert wird ein anderer Umgang mit Russland: Diplomatie statt Härte. Kooperation statt Aufrüstung. Die Autoren warnen vor "militärischer Alarmrhetorik" und bezeichnen die geplanten hohen Verteidigungsausgaben als irrational. Was für hitzige Debatten und viel Unruhe in der Partei gesorgt hat. 

Kommt es zum Richtungsstreit?

Der designierte Generalsekretär Tim Klüssendorf wiegelt ab. Die Unterzeichner des "Manifests" hätten den Eindruck, dass in der SPD bisher zu wenig über Diplomatie gesprochen worden sei. Darüber könne man reden.  

Nicht zur Debatte stehen laut Klüssendorf neue Beschlussvorlagen oder neue außenpolitische Grundsätze. Der Parteiführung erscheint es deshalb auch ausreichend, das "Manifest" zu thematisieren, wenn es um den Leitantrag geht. Der widmet sich dem Großen und Ganzen der Aufarbeitung des Wahlergebnisses, der organisatorischen und strukturellen Neuausrichtung und der Weichenstellung für ein neues Grundsatzprogramm, das 2027 vorgelegt werden soll.

In der Partei rumort es

Vielen Genossen greift das zu kurz. Überall in Deutschland werde über Verteidigungsausgaben, NATO-Ziele und Russland diskutiert, nur die SPD versuche um die Themen einen Riesenbogen zu machen, kritisiert der Sozialdemokrat Schramm.  

Es werde auf bestehende Beschlüsse und Regierungsprogramme verwiesen, dabei können "gerade wir als SPD nicht behaupten, dass wir in der Frage der Aufrüstung, in der Frage der Ukraine wirklich eine 110 Prozent klare Position vertreten". Man merke doch auch draußen, dass es Widerstand und Widersprüche innerhalb der Partei gebe.  

Gerade mit Blick auf das "Manifest" gibt es auch aus Sicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius einiges, was gerade gerückt werden muss. Er wirft den Verfassern vor, den Wunsch der Menschen nach Frieden zu missbrauchen, spricht von Realitätsverweigerung. "Wenn sie in ihrem Manifest schreiben, es hätten sich Kräfte in Westeuropa und Deutschland durchgesetzt, die die Zukunft in einer Konfrontationsstrategie sehen, dann ist das schlicht eine Verdrehung von Ursache und Wirkung."

Notwendige Standortbestimmung

Es gibt offenkundig viel Gesprächsbedarf. Vermutlich auch weit über die Leitantragsdebatte hinaus. Denn bei all diesen Fragen geht es auch um Selbstverständnis der SPD als Friedenspartei. Um das politische Erbe von Willy Brandt. Um dessen Ostpolitik ein regelrechter Streit um die Deutungshoheit entbrannt ist.  

Umso wichtiger aus Sicht vieler Genossen gerade jetzt, wo es um eine Standortbestimmung und um einen Neuanfang geht, klar Position zu beziehen.      

Das gilt auch für das Thema Wehrpflicht, das die Jusos auf die Tagesordnung bringen wollen. Sie fordern, dass sich die SPD gegen jede Form von Zwang oder Pflicht ausspricht. Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart. Und anders als es Verteidigungsminister Pistorius vorhat. Auch hier könnte es hitzige Debatten geben - wenn sie denn zugelassen werden.

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