Gegen einen Mann, der in Deutschland für den Iran spioniert haben soll, wird ermittelt. Doch möglicherweise steckt hinter dem Fall noch mehr.
Als Ali S. zu Besuch nach Deutschland kam, wurde er bereits erwartet. Durch einen Hinweis eines ausländischen Nachrichtendienstes interessierte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dafür, was der 53-jährige Däne mit afghanischen Wurzeln in Deutschland, konkreter in Berlin, machen würde. Tagelang versuchten die Verfassungsschützer, möglichst jeden seiner Schritte zu verfolgen.
Vollständig ist es ihnen nicht gelungen, heißt es in Sicherheitskreisen. Doch das vermeintlich touristische Programm des Mannes in Berlin erfüllte die Verfassungsschützer trotzdem mit immer größerer Sorge. Sie hatten den Eindruck, dass Ali S. ganz gezielt jüdische und israelische Einrichtungen "besuchte". Zum Beispiel koschere Supermärkte und Orte, die mit der jüdischen Gemeinde in Berlin und dem Staat Israel zu tun haben. Und S. soll sich auch für konkrete Personen interessiert haben, die in Berlin symbolisch für jüdisches Leben in Deutschland stehen.
Spion, Terrorist oder doch nur Tourist?
Der Generalbundesanwalt wertet dieses Verhalten derzeit als mutmaßliche "geheimdienstliche Agententätigkeit" und ermittelt deswegen gegen Ali S. Auf Antrag der Bundesanwaltschaft wurde er am vergangenen Donnerstag im dänischen Aarhus, der zweitgrößten Stadt des Landes, festgenommen. Obwohl der Mann mit afghanischen Wurzeln die dänische Staatsangehörigkeit hat, scheint Dänemark kein gesteigertes Interesse an ihm zu haben. Seine Auslieferung nach Deutschland sei "eine Formsache", heißt es in Berlin.
Die Bundesanwaltschaft will sich dazu derzeit nicht äußern und verweist auf die noch laufenden Ermittlungen. Nach Recherchen von ARD-Hauptstadtstudio und SWR weisen die bisherigen Erkenntnisse zwar auf eine mögliche Anschlagsplanung hin. Für juristisch wasserdicht halten die Bundesstaatsanwälte derzeit allerdings nur den Verdacht der Spionage. Für den Nachweis einer Anschlagsplanung und damit ein Terrorismusverfahren reicht die Erkenntnislage derzeit offenbar nicht. Doch auch für die "geheimdienstliche Agententätigkeit" drohen bis zu fünf, in schweren Fällen sogar zehn Jahre Haft.
Auftrag aus dem Revolutionsrat?
Brisant machen das Verfahren aber nicht nur die möglichen jüdischen Ziele in Berlin. Auch der mutmaßliche Auftraggeber macht den deutschen Sicherheitsbehörden Sorgen. Denn Ali S., so die Hypothese der Ermittler, soll seinen Auftrag direkt von den Quds-Einheiten im Iran bekommen haben, einer Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarde. Die Quds-Kräfte sind eine Spezialeinheit, die einerseits (para-)militärische Aktionen ausführt und andererseits Spionage im Ausland betreibt.
Schon im Jahr 2017 ermittelten deutsche Sicherheitsbehörden wegen eines möglichen Ausspähversuchs in Deutschland im Auftrag der Quds-Kräfte. Damals soll der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Reinhard Robbe (SPD), das Ziel gewesen sein. Allerdings wohl eher deshalb, weil er zugleich der Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft war. Das Verfahren damals endete mit einer mehr als vier Jahre langen Haftstrafe für den damaligen Beschuldigten.
Interessante Parallele: Genau die damals betroffene Deutsch-Israelische Gesellschaft gehört nach Recherchen von SWR und ARD-Hauptstadtstudio auch im aktuellen Fall zu den potenziellen Zielen.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.