Bundeskanzler Merz war nicht immer trittsicher bei Themen der Gleichberechtigung. Gegen das Gendern stellt er sich komplett. Nun wird er Schirmherr der Initiative "Chef:innensache". Kann das funktionieren?
Heute findet in Berlin die Jahreskonferenz der Initiative "Chef:innensache" statt. Bundeskanzler Friedrich Merz übernimmt wie schon Vorgängerin Angela Merkel und Vorgänger Olaf Scholz die Schirmherrschaft des hochkarätigen Netzwerks, das die Chancengleichheit von Männern und Frauen fördert, vor allem in Top-Positionen.
Merz und die Gleichberechtigung - das ist seit Jahren Diskussionsthema, immer wieder aufgespießt von politischen Gegnern und auch in der eigenen Partei umstritten. Und was ist eigentlich mit dem Gendern?
"Sie sind dermaßen dagegen, dass es mich fast schon reizt, es absichtlich zu machen", sagte etwa ZDF-Moderator Markus Lanz zu Merz. "Sie haben gewettert gegen meine Kolleg:innen, Herr Merz, warum?"
"Ja", erwiderte Merz. "Weil ich einfach finde, es gibt Regeln. Übrigens auch Regeln, die verbindlich festgelegt worden sind, für die Verwendung der deutschen Sprache." Privat so, wie er oder sie will - in Behörden oder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auf gar keinen Fall gendern, sagt Merz. Für ihn sei das Gendern nicht mit den Regeln der deutschen Sprache vereinbar.
Nicht trittsicher bei der Gleichberechtigung
Das könnte heute bei der Initiative "Chef:innensache" ein Problem geben. Denn Chef:innen wird mit dem nicht nur von Merz so kritisierten Gender-Doppelpunkt geschrieben. Erste Klippe also.
Die zweite: Merz war nicht immer ganz trittsicher, wenn es um den Zweck der Initiative geht. Nämlich Gleichberechtigung von Mann und Frau im Beruf, 50:50 bei Firmen in Führungspositionen - also etwa auch im Bundeskabinett?
"Ich halte wenig von diesen Vorschlägen", sagte Merz im Wahlkampf. "Sehen Sie, das ist so schief gegangen in der letzten Bundesregierung mit der Verteidigungsministerin. Das war eine so krasse Fehlbesetzung und das sollten wir nicht wiederholen. Wir tun damit auch den Frauen keinen Gefallen." Ob das im Verteidigungsministerium wirklich schief ging, weil Christine Lambrecht eine Frau ist? Man beziehungsweise Frau tut Merz sicher keinen Gefallen, das in diese Aussage im Wahlkampf hineinzuinterpretieren.
Wie steht es um Merz' Lernkurve?
Aber dass er ein bisschen fremdelt mit Gleichberechtigungsthemen? Das ist seit Längerem bekannt. Auf die Frage, ob der Bundeskanzler weniger Vertrauen in Frauen habe, antwortete Sebastian Hille, einer von drei männlichen Sprechern der Bundesregierung, neulich wohl auch deshalb routiniert: "Davon gehe ich nicht aus. Er hat selber eine, er hat mehrere Töchter." Die weitgehend ebenfalls männlichen Sprecher der anderen Ministerien in der Bundespressekonferenz lachten mit.
Aber es ist doch nicht von der Hand zu weisen: In der CDU-Bundestagsfraktion nur 32 Prozent Frauen? In Merz engem Beraterstab im Kanzleramt - nur Männer? "Sie können davon ausgehen, dass wir uns der Zusammensetzung bewusst sind, aber manche Dinge sind, wie sie sind", so Hille.
Diese Dinge zu ändern, da setzt die Initiative "Chef:innensache" an, die bis vor ein paar Jahren übrigens Initiative "Chefsache" hieß. Und auch Merz hat ja für manchen - meist männlichen - Beobachter eine Lernkurve hingelegt. Vom Werben für ein gemäßigte Frauenquote in der CDU als Wahlkampfinstrument: "Es geht jetzt um ein Signal nach draußen, dass wir dieses Thema ernst nehmen. Über 50 Prozent der Wählerinnen, der Wähler sind in Deutschland Frauen."
Bis hin zum entschlossen vorgetragenen Management-Handbuch dieser Tage: "Meine Erfahrung beruflich wie politisch: Gemischte Teams arbeiten besser. Frauen und Männer bringen unterschiedliche Fähigkeiten und gemeinsame Fähigkeiten."
Sieben Männer und eine Frau im Koalitionsausschuss
Merz' Regierung besteht aus neun Ministern und acht Ministerinnen. Das Kabinett und die Bundestagspräsidentin Julia Klöckner sind die positiven Beispiele, die die Union in Sachen Gleichberechtigung nach vorne stellt.
Dagegen steht der Koalitionsausschuss. CDU, CSU und SPD verhandeln dort die wichtigsten Themen. Besetzt ist er mit: acht Männern und einer Frau. Was die so hervorgehobene Julia Klöckner im ZDF-Interview auf eine kurze Formel bringt: "Man hat so den Eindruck: Wenn es ernst wird, müssen es die Jungs untereinander machen. Und da ist unsere Gesellschaft viel weiter."
Merz hat heute die Chance, das alles zu bestaunen: Nach der Sitzung des Kabinetts und der Jahreskonferenz der Initiative "Chef:innensache" geht es für ihn weiter zum Koalitionsausschuss. Und da ist Mann dann fast wieder unter sich.
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