Eine Umfrage zeigt: Besonders Menschen mit Migrationsgeschichte fühlen sich von Behörden nicht immer fair behandelt. Drei Betroffene erzählen von ihren Erfahrungen mit Diskriminierung durch staatliche Stellen.
Für Peter Bär und Kirill Lavrishchev waren die vergangenen fünf Jahre überschattet von Angst. Das Paar betreibt in Stuttgart einen Beautysalon, vor ihnen liegt ein aufgeschlagener Ordner, der Briefwechsel mit der Ausländerbehörde Stuttgart.
Nach ihrer Hochzeit in Stuttgart verweigerte die Behörde Kirill, der aus Russland stammt, einen permanenten Aufenthaltsstatus. Ein Dokument fehlt. Für seine Einreise nach Deutschland hätte er ein Eheschließungsvisum beantragen müssen. Um dies nachzuholen, sollte er zurück nach Moskau und sich dort an die deutsche Botschaft wenden.
"Nicht per se als Homosexueller zu identifizieren"
Peter Bär aber fürchtete, dass sein Partner in Russland verfolgt werden könnte. Das Land geht systematisch gegen homosexuelle Menschen vor. "Kirill könnte in einem Umerziehungslager landen, im Gefängnis oder vom Militär eingezogen werden."
Die Ausländerbehörde hält den Aufenthalt dagegen für zumutbar. In ihrer Begründung schreibt das Amt, es drohe keine konkrete Gefahr für Leib und Leben, da Kirill "rein äußerlich bzw. durch sein Auftreten nicht per se als Homosexueller zu identifizieren ist und es in Russland keinen Homosexuellen-Radar gibt".
Für Peter Bär liegt darin eine klare Diskriminierung: "Muss ich erst ein Bild im Kopf erfüllen und mit wackelnder Hüfte durch die Gegend laufen, um als Homosexueller erkannt zu werden?" Das Paar wehrt sich mit einem Anwalt gegen die Entscheidung der Ausländerbehörde. Zumindest ein Teil-Erfolg: Kirill muss vorerst nicht zurück nach Moskau. Die Stadt Stuttgart möchte sich aus Datenschutzgründen nicht zu Einzelfällen äußern.
Roma berichten von Schikane und Beleidigungen
Auch Igor Garber von der Organisation "Deutsche Jugend aus Russland" hört häufig von schlechten Erfahrungen mit Ämtern. Sie ist Anlaufstelle für russischsprachige Migranten. Aus ganz Deutschland wenden sich Roma, die aus der Ukraine geflohen sind, an ihn und seine Kollegen. Es geht um Schikane, Beleidigungen und allgemeines Misstrauen.
Ihm gegenüber sitzt an diesem Tag Yevdokia Drima. Die junge Frau lebt mit ihrer Familie in einer Flüchtlingsunterkunft und erzählt von einem Vorfall: "Die Security hat mich und meine Familie beschimpft und getreten. Als die Polizei kam, hat sie zwar Bilder von meinen Verletzungen gemacht, aber sie hat uns gar nicht zugehört. So schlecht wie hier in Deutschland sind wir Roma nicht einmal in der Ukraine behandelt worden."
Bei der Stadt Stuttgart sind solche Vorwürfe bekannt. Sprecherin Susanne Kaufmann betont aber auch, dass die Stadt bereits sehr viel dagegen unternommen habe. "Wenn in der Stadtverwaltung bekannt wird, dass ein solcher Vorfall im Raum steht, wird ihm selbstverständlich sehr genau nachgegangen."
Menschen mit Migrationsgeschichte und Behinderung besonders betroffen
Eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ergab, dass nur sechs Prozent der Menschen ohne Migrationsgeschichte schon einmal diskriminierende Erfahrungen mit Behörden gemacht haben. Bei Menschen mit Migrationsgeschichte waren es knapp dreimal so viele.
Auch Menschen mit Behinderung berichten doppelt so häufig von staatlicher Diskriminierung. So auch Rudolf Bede. Als Asperger-Autist ist seine Umwelt für ihn an vielen Tagen eine Flut an Eindrücken, der Umgang mit anderen Menschen fällt ihm schwer. Nach kurzen Phasen der Konzentration fällt Bede häufig in ein Loch der Erschöpfung.
Seine Behinderung ist nicht sichtbar. Rudolf Bede ist der Meinung, deshalb werde sie auch weniger ernst genommen.
Diskriminierung oft schwer nachweisbar
Zehn Jahre hat es gedauert vom ersten Schriftverkehr, bis er von den Behörden einen Behinderungsgrad zugestanden bekam, dafür musste er bis vor Gericht ziehen. Die jahrelange Prozedur sei eine Tortur für ihn gewesen.
"Wenn ein Verfahren aber so lange dauert, ist das auch schon eine Aussage. Man wartet und wartet, braucht dringend Unterstützung und es kommt nichts", findet Rudolf Bede. Die vielen Anträge und Dokumente seien auf Menschen wie ihn nicht ausgerichtet.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.