Die Zukunft sah schon mal besser aus. In den 1960er-Jahren war das, als passend zur Weltraumbegeisterung und dem Plastikdesign der Space Age Pop aus der Stereoanlage plätscherte. Die Verheißungen des Alls waren noch nicht durch die ersten Fußabdrücke auf dem Mond befleckt worden. Und Stan Lee und James Kirby schickten im Auftrag von Marvel die „Fantastic Four“ auf ihre erste Mission im Weltraum. Im Jahr 1961 erschien der erste Comic aus der Reihe.

Die meisten Superhelden, die heute Supermächte befehligen, ihre Ehefrauen ins All schießen oder hoffentlich selbst den Mars besiedeln wollen, waren da noch gar nicht geboren. Und an eine Geburt in der Schwerelosigkeit, noch dazu bei einer Verfolgungsjagd durch ein quantensingulär den Raum verzerrendes Wurmloch, daran war noch nicht zu denken. Doch bevor dieses Kind geboren wird, ist Folgendes passiert:

Ein Quartett optimistischer Astronauten macht sich zur Abreise startklar. Reed Richards, ein smarter Wissenschaftler, Sue Storm, seine toughe und ebenbürtige Partnerin auch im Privaten, Johnny Storm, Sues draufgängerischer kleiner Bruder und Ben Grimm, ein gutmütiger Kampfpilot, sind die Besatzung der Rakete, die zu ihrem experimentellen Auftrag erfolgreich abhebt. Im Weltraum dann allerdings geraten sie in einen kosmischen Strahlensturm und mutieren. Und weil die irdische Welt schon immer Superhelden brauchte, folgten die Vier zurück auf der Erde ihrer neuen Bestimmung.

Reed Richards wird Mister Fantastic mit superstarken Gummigliedern und unbegrenzt elastischer Intelligenz. Sue Storm wird die Unsichtbare, die über diese namensgebende Fähigkeit hinaus noch telepathische und telekinetische Superkräfte besitzt. Johnny Storm, die menschliche Fackel, kann sich selbst und alles andere in Brand setzen und wird sozusagen sein eigener Raketenantrieb. Und Ben Grimm verwandelt sich zu einem steinernen Ding, dem sich nichts und niemand in den Weg stellen kann.

Fortan sind sie die „Fantastic Four“. Sie gründen die Future Foundation, bewahren die Menschheit ein paar Jahre vor allem Unheil, ziehen in ein wie von Dieter Rams, Arne Jacobsen, Oscar Niemeyer und Verner Panton ausgestattetes Space-Pop-Penthouse und leben dort in einer Superhelden-WG als postmoderne Patchwork-Familie zusammen. Hier ungefähr setzt der Film ein, der am 24. Juli 2025 im Kino anläuft und dem einigermaßen unübersichtlichen Marvel-Universum die sechste Phase einläuten soll.

Es könnte alles so schön sein, kein Schurke traut sich mehr was, Johnny kocht für alle und Ben grämt sich kaum noch, dass er als einziger des Viererbunds seine Mutation nicht verbergen kann (er ist ein wandelnder Steinbrocken). Und jetzt ist Sue auch noch schwanger! Leider tut sich kurz nach der frohen Botschaft der Himmel auf und eine nackte, silbrig glänzende Frau gleitet auf ihrem Surfbrett hinein ins Familienglück von Manhattan, New York.

Sie stellt sich als „Herold“ von „Galactus“ vor, einer „Entität“, die Planeten verschlingt. Nun sei die Erde dran. „Sterbt mit den Euren“, sagt sie ungerührt und düst ab. Johnny stellt den Verbrenner auf Vollgas und folgt dem Silver Surfer in der Stratosphäre, wo er sich ein bisschen in die mysteriös von vorherbestimmter Auslöschung babelnde Heroldin verliebt. Leider muss er feststellen, dass seine Feuerkräfte bei ihr offenbar nicht zünden.

Die vier Superhelden hatten es sich gerade in ihrer Superheldenhaftigkeit gemütlich gemacht. Doch bei aller Saturiertheit, die Zuversicht, der Aufbruchsgeist, der Sixties-Vibe, es mit den größten Feinden aufnehmen zu können, er ist noch da. Also bereiten die Vier ihre nächste Mission vor. Neue Raumanzüge werden designt, ein Raumschiff gebaut, einige Berechnungen angestellt, wie man sich die Krümmungen des Raums zunutze machen kann, der Start glückt, die Menschheit jubelt, Galactus wird auch schnell gefunden, entpuppt sich aber – schon im ersten Abenteuer der Fantastic Four – als veritabler Endgegner.

Er ist so eine Art Gott der Milchstraße. Wahrscheinlich gar kein so schlechter Kerl, aber mit jedem Planeten, den er verschlingt, wird er größer und selbstherrlicher. Jetzt treibt er als riesiger Cyborg mit Wikingerhelm durchs All, allein begleitet vom Silver Surfer, und macht schnell deutlich, dass Superkräfte nicht reichen werden, um ihn von seinem teuflischen Ziel abzubringen.

Galactus bietet einen Deal an: Er verschont die Erde, wenn er das Kind von Reed und Sue bekommt. Die galaktische Gottheit hat anscheinend schon eine göttliche Ahnung, die unsere fantastische Familie noch als unbeantwortete Frage umtreibt. Wird das Baby eine Superkraft haben? Klar, auf so einen unmoralischen Deal kann man sich nicht einlassen. Erst recht nicht, nachdem das Baby während der Flucht vor Galactus noch im Raumschiff geboren wird.

Zurück auf der Erde wird die Zeit knapp. Man schlägt sich mit geradezu faustischen Problemen herum. Wie viel Opferbereitschaft darf man erwarten? Was wiegt mehr, ein Säugling oder die gesamte Menschheit? Wann beginnt die Menschenwürde, und um welchen Preis darf man auf sie pfeifen? Was, wenn einen die Menschheit plötzlich gar nicht mehr so toll findet, nur weil man den Nachwuchs nicht opfern will?

Und dann kommen ja auch ganz menschliche Probleme auf die jungen Eltern zu. Schlafmangel und volle Windeln trüben auch die superste Gehirnakrobatik. Mr. Fantastic kommt jedenfalls auf ein paar ganz schlechte Ideen. Ethisch fragwürdig. Wissenschaftlich hanebüchen. Verteidigungspraktisch unausgereift. Und auf die in epischen Kämpfen seit Troja einzige Lösung – die List – muss man erst einmal kommen.

So viel sei verraten: Die nächsten beiden Abenteuer der „Fantastic Four“ sind bereits ankündigt. Sie werden demnächst auf die „Avengers“ treffen. Und damit stehen die Konstrukteure des Marvel-Film-Universums vor einigen Problemen. Das betrifft nicht nur das narrative Raum-Zeit-Kontinuum der verschiedensten Superheldencharaktere. Es betrifft vor allem die Persönlichkeit. Und da haben die Fantastischen Vier bis Fünf (mehr sei nicht verraten) noch Luft nach oben. So liebevoll das retrofuturistische Set gestaltet ist, so wenig charismatisch ist noch das Personal.

Pedro Pascal und Vanessa Kirby passen in ihrer gut frisierten Rock-Hudson-und-Doris-Day-Haftigkeit perfekt in die Kulisse. Als Mister Fantastic und die Unsichtbare menscheln sie aber doch unterkomplex im Vergleich zu etwa einem genialen Zyniker wie Iron Man, einem Melancholiker wie Hulk oder einem Coming-of-Age-Spider-Man (wie ihn Tom Holland spielt). Joseph Quinn (als die menschliche Fackel) ist in seinem zaghaften Flirt mit Julia Garner (als sexistisch statuarische Silver-Surferin) noch am lebendigsten. Einen undankbaren Job hat dagegen Ebon Moss-Bachrach angenommen. In der Serie „The Bear: King of the Kitchen“ brilliert er als feinnervig grimassierender Choleriker Cousin „Richie“. Jetzt, als das Ding, muss er leider permanent Bodysuit und Geröllverkleidung tragen.

Vor allem er, aber auch die drei anderen schlumpfblauen Superhelden, haben schwer an ihrer Comic-Persona zu tragen. Gerade in ihren Sixties-Uniformen wirken die „Fantastic Four“ wie ihre eigenen Cosplayer. Im Marvel-Kosmos haben sie zudem das Superman-Problem, sie sind ähnlich uncool wie der Held mit den blauen Strumpfhosen aus dem konkurrierenden DC-Universum. Dessen filmische Wiederbelebung scheint geglückt.

An die beiden Verfilmungen der „Fantastic Four“ von 2005 und 2007 erinnert sich kaum noch jemand. Marvel-Präsident Kevin Feige und Regisseur Matt Shakman haben ihnen jetzt mit „The Fantastic Four: First Steps“ mal wieder eine Zukunft versprochen. Sie wissen: Das Gefährlichste, was Superhelden passieren kann, ist, vergessen zu werden.

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