Kein bisschen Frieden: Nicole und Ralph Siegel, den deutschen ESC-Gewinnern von 1982, hätte das seit Monaten andauernde Gezerre um den weltgrößten, angeblich so harmonisch-völkerverbindenden Gesangswettbewerb der Welt sicher nicht gefallen. Doch jetzt ist es geklärt: Israel darf auch 2026 am Eurovision Song Contest teilnehmen, das hat die EBU, die Europäische Rundfunkunion, nun in Genf so entschieden.
Das ist sowohl ein Sieg der Vernunft als auch eine Niederlage für die Ländergemeinschaft, denn einige nationale Rundfunkanstalten – namentlich Spanien, die Niederlande, Slowenien und Irland – haben nach dieser Entscheidung postwendend erklärt, die Wiener Veranstaltung im Mai 2026 zu boykottieren. Der ESC – von den einen als alberner Träller-Contest geschmäht, von Millionen von Fans hingegen leidenschaftlich verteidigt – wird nun nie wieder unpolitisch sein.
Dass er es je war, gehört allerdings ohnehin ins Reich der Märchen. Die vorgetragenen Songs mochten noch harmlos scheinen, das Klangdurcheinander mochte noch so kunterbunt wirken, das Englische mochte bis zur Ununterscheidbarkeit vorherrschen: Beim ESC vertrat jeder Interpret eben doch explizit sein Land, ja gar die Nation, die ihn entsandt hatte.
Schon hier überhaupt anzutreten – oder eben nicht anzutreten–, wurde in den letzten Jahren zu einem politischen Akt. So richtet Russland, das nach dem Angriff auf die Ukraine nicht mehr dabei sein durfte, seit 2025 eine Gegenveranstaltung mit Teilnehmern aus Belarus, Kasachstan, Usbekistan, China, Indien, Brasilien und Südafrika aus, die übrigens fürchterlich floppte.
Dass Spanien, Irland, Slowenien und die Niederlande nun in Wien nicht dabei sein wollen, ist traurig und dumm. Dass andere Rundfunkanstalten – in Island, Belgien, Schweden – noch überlegen, ist kaum besser. Denn der angeführte Vergleich des Gaza-Kriegs nach dem 7. Oktober mit dem russischen Angriff auf die Ukraine verbietet sich; die Hamas, gegen die Israel kämpft, steht gewiss nicht für die Ideale der bunten, vielfach auch queeren ESC-Community. Mittels Boykott arbeitet man nun der Intoleranz und Repression nur zu – die neu verabschiedeten Regeln und Werte, um politische Einflussnahme bei der Abstimmung zu verhindern, sind da bloß ein regulatives Feigenblatt.
Für welche Werte also steht der ESC? „Vereint durch Musik“, das ESC-Motto, klingt für 160 Millionen Zuschauer weltweit nunmehr hohler denn je. Und nur Zyniker würden hoffen, dass mit dem Ausstieg des siebenfachen ESC-Gewinners Irland wenigstens Deutschlands Chancen ein bisschen steigen. Musikalisch wäre es nicht wirklich ein Gewinn.
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