In ihrem Podcast „News Core: Politik bis Popkultur“ unterhalten sich Imke Rabiega und Julian Theilen über Trends und aktuelle Debatten. Das folgende Transkript ist eine gekürzte Essenz der Podcastfolge „Late-Night auf TikTok und Barebacking“.

Imke: Ich habe eine Veränderung beobachtet, die mich echt gefreut hat, beziehungsweise einen Trend. Ich glaube, es findet gerade eine Transformation der Late-Night-Shows statt. Die haben ja generell dadurch, dass lineares Fernsehen immer unwichtiger wird, einen schwindenden Einfluss. Klar, in Amerika gibt es noch „Saturday Night Live“, „The Tonight Show“ oder „Late Night“. Und das ist dort auch viel kulturprägender als zum Beispiel bei uns in Deutschland.

Julian: Ich wollte gerade sagen, die meisten Formate kommen ja aus den USA und haben sich von dort in Ablegern auf der Welt verbreitet.

Imke: Ja, genau. Bei uns in Deutschland haben wir ja eigentlich nur noch die „Heute-Show“. Es gibt keine „Harald-Schmidt-Show“ mehr.

Julian: Ich finde das auch ein bisschen schade, weil die Familie nicht mehr vorm Fernseher zusammenkommt, um über die Show zu diskutieren, das wurde ja früher auch mal als Lagerfeuer-Moment beschrieben, wo alle drumherum sitzen und sich unterhalten.

Imke: Aber, Julian, es gibt Hoffnung. Ich beobachte eine ganze Welle neuer Late-Night-Formate.

Julian: Wie definieren wir Late-Night eigentlich? Das ist ja schon ein sehr spezifisches Genre der Fernsehunterhaltung, das Comedy, Talk, Satire und Musik kombiniert und in den Zeiten des Fernsehens seinen Namen bekommen hat, weil das immer spätabends ausgestrahlt wurde.

Imke: Wichtig ist, dass es eine charakteristische Moderation gibt, typische Jingles, berühmte Gäste und einen aktuellen Bezug. Aber diese inhaltliche Kombination, die du auch angesprochen hast mit Comedy Talks und Satire, das ist auch für eine neue Generation total reizvoll – und zwar auf TikTok und YouTube. Man sieht kurze Clips auf TikTok und dann die etwas längeren ganzen Videos auf YouTube. Die aber auch nicht mehr wie normale Shows 60 bis 90 Minuten lang sind, sondern deutlich kürzer.

Julian: Lässt das die alten Fernsehformate alt aussehen?

Imke: Die Schnelllebigkeit und verkürzte Darstellung auf TikTok funktioniert gut mit diesem Late-Night-Format, wo es um Pointen geht und um kurzweilige Momente. Das ist die perfekte Symbiose.

Julian: Die haben doch auch alle so eine starke Personalisierung, also einen charismatischen Host, der emotional zugänglich ist.

Imke: Eine charakteristische Moderation war immer schon wichtig. Ohne Harald Schmidt und ohne Stefan Raab hätte es diese Formate nicht gegeben. Jetzt kommt dazu, dass die Moderatoren nicht mehr einem Sender gefallen müssen. Sie müssen eigentlich nicht so massentauglich sein, dass sie für einen Sender funktionieren, erreichen dadurch aber viel mehr die Massen. Und dieses ganze Genre ist so populär, dass es mittlerweile ganze Produktionsfirmen gibt, deren einziger Zweck es ist, Creator oder Influencer mit einer großen Fangemeinde in den nächsten It-Talkshow-Moderator zu verwandeln.

Julian: Wie Scouts quasi.

Imke: Genau, Scouts für TikTok-Late-Night-Shows.

Julian: Welche Shows empfiehlst du denn? Lass mal die Katze aus dem Sack.

Imke: Richtig cool finde ich die Wohnungstouren von Caleb Simpson. Das ist so eine Art Gen-Z-Version von „MTV Cribs“. Simpson spricht vermeintlich zufällig Leute auf der Straße an, die ihm dann eine Raumtour durch ihr Apartment geben. Was auch extrem groß geworden ist, ist das „Chicken Shop Date“. Da treffen sich Leute für Interviews im Frittenladen. Das erreicht bis zu 20 Millionen Aufrufe. Also viel, viel mehr Menschen als jede TV-Show heute könnte. Dann gibt's noch „Subway-Takes“, eine Show, die in der New Yorker U-Bahn spielt. Oder „Recess-Therapy“, eine Show, bei der Kinder interviewt werden auf Spielplätzen.

Julian: Ich check schon, in welche Richtung es geht: Sehr unkonventionelle Settings, nicht so mega hochglanz wie im Studio und aus dem Leben gegriffen.

Imke: Genau, vermeintlich auch eher schlicht, und es lehnt sich oft an konventionelle Late-Night-Shows an, zum Beispiel durch das Studio-Setting, aber auch andere Sachen. In „Subway Takes“ sieht man etwa den Moderator in so einem 90er-Jahre-Anzug in der U-Bahn sitzen, als Anspielung auf das ursprüngliche Format.

Julian: Ich habe auch das Gefühl, dass viele Comedians die Form von Late Night übernehmen und für sich umwandeln.

Imke: Gleichzeitig haben klassische TV-Shows mittlerweile verstanden, dass sie auf Social Media präsent sein müssen.

Julian: Das „ZDF Magazin Royale“ zum Beispiel hat eine eigene Social-Media-Abteilung. Die machen auch kurze Videos für Instagram, die gar nichts mit der Show selbst zu tun haben. Meist drehen die sich dann um die Themen der Gen Z.

Imke: Trotzdem schrumpfen die Zuschauerzahlen für lineare Fernsehformate in den USA und auch in Deutschland. Gleichzeitig sieht man so viele unterschiedliche Shows, die total gut funktionieren und gar nicht aufhören zu wachsen. Das zeigt, wie groß offenbar der Wunsch nach den Inhalten von Late Night ist. In dem Fall ist es wirklich mal gut, dass es TikTok gibt, weil das ermöglicht hat, dass Late Night jetzt irgendwie so ein Gen-Z-Makeover bekommen hat. Und es wäre total schade, wenn das ausstirbt.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.