Beinahe 100 Jahre lang haben die Erben der preußischen Könige und der Kaiser in Deutschland – das Haus Hohenzollern – mit der Bundesrepublik und den Bundesländern Brandenburg und Berlin um die Herausgabe von Vermögenswerten gestritten. In dem Rechtsstreit ging es hauptsächlich um Rückforderungen von Immobilien und Kunstbesitz, die nach dem Ende der Monarchie in Deutschland in Staatsbesitz übergegangen waren.

Es ging um die ungeklärte Eigentums- und Besitzfragen von Tausenden von Kunstgegenständen und einigen Schlössern, um Bücher aus der Monbijou-Bibliothek und Memorabilia wie die sieben Schatullen, in denen der Alte Fritz seinen Schnupftabak aufbewahrte. Aber es ging auch um Politik – um Entschädigungszahlungen, Ausgleichsleistungen für Enteignungen und Verzichtserklärungen.

Im Mittelpunkt stand seit Jahren Georg Friedrich Prinz von Preußen, der „Hohenzollern-Chef“ und Ururenkel des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., der 1918 abgedankt hatte. Untrennbar von dem Vermögensstreit schien die Frage, inwieweit Vertreter des Hauses Hohenzollern – insbesondere der Urgroßvater Prinz von Preußens, Kronprinz Wilhelm – dem Nationalsozialismus erheblichen Vorschub geleistet hatten. In diesem Fall wären Ausgleichszahlungen von Bund und Ländern gesetzlich ausgeschlossen gewesen. Die Erben hatten argumentiert, dass die Beschlagnahme ihres Vermögens rechtswidrig war.

Am 12. Mai 2025 erklärte Wolfram Weimer, der neue Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, den Streit für beendet. Der Bund sowie die Länder Berlin und Brandenburg hätten sich mit dem Haus Hohenzollern auf eine „endgültige Einigung“ in der Vermögensauseinandersetzung verständigt. Kern dieser Einigung sei die Gründung einer gemeinnützigen „Stiftung Hohenzollernscher Kunstbesitz“ und „der Übergang aller Objekte vor allem des ehemaligen Hohenzollernmuseums“ in diese Stiftung.

Sie solle gemeinsam mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) in Potsdam sowie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und dem Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin betrieben werden. Die Sammlungen der drei Institutionen bewahren einen Großteil der historisch bedeutsamen Kunstgegenstände beziehungsweise verwalten ehemals preußische Liegenschaften.

Gesicherte Positionen im Hohenzollern-Streit

„Diese Einigung ist ein gewaltiger Erfolg für den Kulturstandort Deutschland und die kunstinteressierte Öffentlichkeit“, sagte Kulturstaatsminister Weimer, welche „die großartigen Bestände weiterhin in Museen sehen kann.“ Zudem werde damit „endlich ein dauerhafter Rechtsfrieden zwischen dem Haus Hohenzollern und der öffentlichen Hand gestiftet.“ Vorausgesetzt die Länderparlamente, SPK und DHM ratifizieren den Vertragsentwurf zwischen den Streitparteien (die SPSG hat der Vereinbarung bereits am 5. Mai 2025 zugestimmt).

Rechtlich werden mit der vorgestellten „Lösung“ die Herausgabeansprüche an die neue Stiftung abgetreten. Sie erhält die „gesicherte Eigentumsposition“, die durch SPK, SPSG und DHM repräsentierte öffentlich Hand erhält die „dauerhaft unbestrittene Besitzposition“ an den Vermögenswerten. Zudem hat die öffentliche Hand eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Stiftung, die sowohl den Vorstand besetzt als auch sechs Vertreter in den Stiftungsrat entsendet. Drei Vertreter bestellt das Haus Hohenzollern und bewahrt sich damit zumindest ein Mitspracherecht. Weimer bedankte sich ausdrücklich bei Georg Friedrich Prinz von Preußen für die Einigung.

Bereits gut zwei Jahren wurde der gordische Knoten in den Auseinandersetzungen zerschlagen, im März 2023 hatte Prinz von Preußen im WELT-Interview exklusiv angekündigt, von seinen Forderungen, die er wenige Jahre zuvor noch überraschend bekräftigt hatte und vor dem Verwaltungsgericht in Potsdam einklagen wollte, abzusehen. Durch die jetzige Einigung sei ein Streit beigelegt worden, „der viele Jahre beide Seiten Zeit, Geld und Kraft gekostet hat“, sagte Weimer. Er werde sich nun in den Gremien dafür einsetzen, diese Vereinbarung zum Abschluss zu bringen.

Gewinner dürften tatsächlich die öffentlichen Museen und Institutionen sein, die nicht mehr um die Herausgabe ihrer Sammlungsobjekte fürchten und nicht länger damit rechnen muss, dass die Familie Prinz von Preußen bald im Schloss Cecilienhof in Potsdam einziehen möchte, welches eine Ausstellung zur Potsdamer Konferenz von 1945 beherbergt, aktuell aber saniert wird. Das berühmte Porträtgemälde des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg von Lucas Cranach dem Älteren wird im Jagdschloss Grunewald hängen bleiben und die umstrittenen Elfenbeinmöbel aus der Erbmasse von Johann Moritz von Nassau-Siegen werden weiterhin im Schloss Oranienburg auf ihre „kolonialen Kontexte“ untersucht werden können.

Bei den Tabaksdosen verhält es sich etwas anders, ihre Eigentumsverhältnisse waren dem Haus Hohenzollern anscheinend besonders wichtig, wohl auch weil sie auf dem Kunstmarkt als gut und teuer verkäuflich gelten. Nur zwei davon werden als Dauerleihgaben in der Öffentlichkeit verbleiben. Auch andere auf der sogenannten „C-Liste“ verzeichneten Objekte bleiben bei den Hohenzollern. Die „19er-Liste“ (auf der etwa das Gemälde „Einschiffung nach Kythera“ von Jean-Antoine Watteau im Berliner Schloss Charlottenburg steht) wurde hingegen eindeutig als Eigentum der öffentlichen Hand festgestellt, sämtliche Ansprüche des Hauses Hohenzollern seien abgegolten.

Die Einigung stellt eine Gesichtswahrung des Hohenzollern-Chefs dar, und sie ist ein Gewinn für die öffentliche Debatte. Denn der jahrzehntelange Disput über Herrenhäuser, Bilder und Kunstgewerbe hat auch die historische Forschung zu der gesellschaftlich bedeutenderen Frage überschattet, wie Mitglieder des Hauses Hohenzollern in den Aufstieg des Nationalsozialismus verwickelt waren. Das unbequeme Erbe der Preußen ist längst nicht vollständig aufgearbeitet, ebenso wenig viele Provenienzen in öffentlichen Institutionen. Die neue Geschmeidigkeit zwischen den bisherigen Streithähnen könnte die kritische Sicht auf sich selbst durchaus fördern.

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