Man kann nicht unbedingt sagen, das Film- und Fernsehwesen täte nichts für die Förderung der Sepulkralkultur. Dass es sich verdient macht darum, uns Menschen darauf hinzuweisen, dass wir alle mitten im Leben vom Tod umfangen sind, lässt sich leicht mit seiner ziemlich eklatanten Bevorzugung von Mord- und Totschlaggeschichten beweisen. Aber es kümmert sich eben nicht nur um die Produktion von Toten, sondern auch – profan formuliert – um deren Beseitigung.

Kaum ein Berufszweig – von Ärzten vielleicht mal abgesehen, die ja geradezu das Gegenteil von Mördern sind und deswegen Beerdigungsunternehmern eher ein natürlicher Feind – wird derart gewürdigt in Serien und Filmen wie die Bestatter. Das war bei „Six Feet Under“ in Kalifornien so. Und ist es im deutschen Norden – bei „Friesland“ vor allem und bei „Nord bei Nordwest“ eher am Rande. Aber auch in der Schweiz, wo „Der Bestatter“ einer der größten internationalen Erfolge war (im Streaming-Angebot von Netflix, Amazon Prime und Youtube).

Und vor allem natürlich in Österreich, dem man ohnehin einen besonderen Hang zur Morbidezza nachsagt. Da widmeten sich vor allem der Totengräber Broll (verfilmt für ORF und ZDF mit Laurence Rupp und Jürgen Vogel) und die Bestattungsunternehmerin Blum (verfilmt von Netflix mit Anna Maria Mühe) der Werbung für all die schönen Berufe des Sepulkralkulturwesens. Erfunden allesamt vom Tiroler Bestseller-Autor Bernhard Aichner, der sich damit die Goldene Bestatternadel verdient hat, die wir jetzt gerade erfunden haben.

Die müsste er sich in diesem Jahr allerdings, um jetzt endlich auf „Drunter und Drüber“ zu kommen, die neue Amazon Prime-Serie, für die wir heute hier sind, mit Julia Westermann (Debütantin im „Tatort“ am Sonntag) und Christoph Schier (bekannt für „Die Ibiza-Affäre“ mit Nicholas Ofczarek) teilen. Die verhandelt – sozusagen als Wienerische Ableitung von „Six Feet Under“ – die Geschichte des Friedhofs von Donnersbach.

Konkurrenz für den Zentralfriedhof

Am Rand von Wien gelegen, von der Schnellbahn umfahren. Dem würde es als Konkurrent des popkulturell unter anderem von und spätestens seit Wolfgang Ambros natürlich längst notorisch gewordenen Wiener Zentralfriedhof – gestorben wird ja immer, wie das Credo aller Bestatter lautet – im Prinzip gut gehen.

Leider nagt der Kapitalismus auch an Donnersbach als „schöner Leich“, wie Begräbnisse vor allem im Wienerischen gern heißen. Immer mehr Menschen nehmen die Asche ihrer Ahnen in Urnen mit nach Hause zum Beispiel. Leichen rentieren sich dementsprechend – gewissermaßen natürlich – nicht mehr. Donnersbach, so die Grundannahme von „Drunter und Drüber“, muss dicht gemacht werden. Park werden oder so.

Jene, die sich in „Drunter und Drüber“ vor allem zusammenrotten müssen, das zu verhindern, kennen sich ziemlich gut aus mit Mord- und Totschlaggeschichten. Julia Jentsch und Nicholas Ofczarek stapften einst als Kommissare in „Der Pass“ durch Schnee und Eis vom Tiroler Gebirg Serienmördern, den Umsatzbringern eines jeden Bestatters, hinterher.

Jetzt sind sie Heli Wondratschek und Ursula Fink. Er – ein geradezu piefkehafter Sepulkralkulturprinzipienreiter, der jedes Bestattergesetz auswendig kann und für dessen pharisäerhafte Einhaltung er aufgrund einer offensichtlich beinahe teuflischen Gehbehinderung mit dem Golfcart zwischen den Donnersbacher Gräberreihen unterwegs ist – glaubt nach dem fast peinlichen Ableben seines Vorgängers im Amt des Friedhofsverwalters (er wird bei der Einnahme des Feierabendbiers von einem steinernen Engel erschlagen) nur noch einen Stempel vom Chefsein entfernt zu sein.

Sie – gut gelaunt, grundnaiv, völlig frei von jeglicher Ahnung vom Geschäft mit Leichen, ehemals für Kindergärten und Hundeparks verantwortlich und aufgrund fabelhafter Trotteligkeit gesegnet mit einem Hang fürs Hinterlassen von buchstäblich verbrannter Erde – wird ihm vor die Nase gesetzt.

Was dabei passiert, interessiert nicht nur uns, sondern auch ein gutes Dutzend Frischgestorbener, die in einer Art Transitraum unter der Erde (das „Drunter“ des Titels) zuschauen, was in Donnersbach passiert. Auf einem extrabürokratischem Gestühl sitzen sie im Vorzimmer des Jenseits herum und erleben über uralte Röhrenfernseher in einer Unendlichkeitsserie namens „Die Drüber“ (umgerechnet dauern ihre gut 800.000 Folgen solange wie umgerechnet Christi Geburt her ist und wirkt in Dramaturgie und Musikgestaltung, selbst in der Art der eingeblendeten Werbemittel, wie eine Schwester der „Schwarzwaldklinik“, was ja eigentlich nicht sein kann), wie sich Heli und Ursula und das andere halbe Dutzend Donnersbacher so durchschlagen.

Die Friedhofsgeigerin, die gern endlich mal frei spielen dürfen möchte und nicht nur Helis Trauerrepertoire, der Totengräber mit der Verbindung zu den Drunten, der Steinmetz, der besser Grabplatten hinbekäme als die für Papst Franziskus, seine Tochter, die Grabkranzbastlerin mit der Friedhofsphobie, und die mit ihm verheiratete Grabrednerin, die – weil sie zur Triebabfuhr mit Heli Wondratschek in die Kiste steigt und dementsprechend kaum Zeit für Rhetorik hat – immer die gleiche Rede hält.

Dafür, dass es in „Drunter und Drüber“ derart viele Running-Gags gibt, ist das Erzähl-Tempo erstaunlich niedrig. Man lacht sich nicht unbedingt tot, was ja eigentlich passend gewesen wäre. Amüsiert sich aber geradezu königlich. Über all die herrlichen antikapitalistischen Widerborstigkeiten. Den „Tag des offenen Grabes“ mit Hüpfburg und Engelschnitzen zum Beispiel, mit dem Werbung gemacht werden soll für Donnersbach, jenen Ort, an dem es keiner eilig hat, weil sowieso alle tot sind.

Wurmi, der Kompostierer der Toten

Oder die Werbeblöcke zwischen den Folgen von „Die Drüber“ – für Wurmi und die Wurmkiste zum Beispiel, mit denen man das Kompostieren von Toten erleichtern würde. Oder den Ruf nach einem neuen Falco, mit dessen Grablege Donnersbach legendär werden könnte.

Man hat jedenfalls seinen morbiden Spaß mit diesem Achtteiler. Wünscht sich mindestens drei Staffeln, wie sie „Der Pass“ hatte. Fürchtet sich allerdings ein wenig davor, zwischendurch von Grabplatten oder Engeln erschlagen zu werden. Sepulkralkultur ist ein ziemlich mörderisches Geschäft.

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