Wie riecht eine literarische Fiktion? Ein italienisches Parfüm-Label hat darauf kürzlich eine Antwort geliefert.

„Es gibt eine Idee von Patrick Bateman, eine Art Abstraktion, aber es gibt kein echtes Ich: nur eine Entität, etwas Illusorisches.“

Dieser „Idee von Patrick Bateman“, wie es in Ellis‘ Buch heißt, hat sich jetzt der schwedische Künstler Johan Bergelin gewidmet und in seinem Parfümlabel „19-69“ einen Duft namens „American Psycho“ verlegt.

Ein Duft aus Blut, Angstschweiß und Kettensägenbenzin? Mitnichten.

Bergelin reiste eigens zu Bret Easton Ellis nach Los Angeles, um mit ihm gemeinsam den Duft zu kreieren. Nach stundenlangen Duftproben, so schildert es Ellis, war er fasziniert von einer Mischung aus natürlichen Blumenoten und einigen synthetisch riechenden Aqua-Akkorden und davon, wie sie „mich in verschiedene Orte dieses Jahrzehnts und dieser Ära versetzten“.

Zurück in Mailand schuf Bergelin nach Ellis Vorlieben einen Flacon mit Noten aus Bergamotte, Salbei, Jasmin und besagten nach klinischer Sauberkeit riechenden Aqua-Motiven. Abgerundet wird der Duft mit Akkorden aus Sandel- und Zedernholz in der Basis-Note. Riecht so also die nach außen hin makellose Existenz eines fiktiven Charakters, der im Inneren die völlige Entfremdung und Identitätsauflösung durchlebt?

Die Marke „Fragrance Library“ kreiert schon seit einigen Jahren Parfüms mit Namen wie „The Great Gatsby“ oder „Anna Karenina“. Und auch „19-69“, deren Slogan „Gegenkultur abfüllen“ („bottling counterculture“) lautet, hat bereits weitere Literaturdüfte angekündigt. Auf welche olfaktorischen Literaturklassiker dürfen wir uns also demnächst noch freuen?

Anbieten würde sich etwa in Anlehnung an Ernst Jünger ein „Eau de Front“: Akkorde von nassem Lehm und metallisch-kaltem Regen, durchzogen von Rauch und Eisen, abgerundet durch ein dunkles Motiv aus Ambra, das existenzielle Erfahrung symbolisiert.

Oder darf es doch eher ein „Eau de Misantrophe“ in Anlehung an Thomas Bernhards Traktat „Holzfällen“ sein ? Die Zutaten: Kalter, abgestandener Zigarrenrauch, gemischt mit Kaffeekranz-Aromen und bitteren Champagner-Noten.

Auch interessant wäre ein „Eau de Hogwarts“, eingeleitet mit Anklängen von Kürbispastete und Butterbier, in der Herznote ein bissiges Motiv aus Drachenhaut und abgerundet durch vage Noten von feuchtem Stein, eine Remiszenz an die unzähligen Geheimgänge im Zauberschloss.

Wer angesichts dieser doch recht experimentellen Duftkonzepte lieber die Zedernholz-Noten eines Patrick Bateman bevorzugt, muss sich jedoch gedulden: auf der Website von „19-69“ ist „American Psycho“ derzeit ausverkauft.

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