Es ist keine neue Forderung, sie begleitet den Eurovision Songcontest schon seit anderthalb Jahren: Israel solle vom ESC ausgeschlossen werden, fordert nun auch der diesjährige Gewinner des Musikwettbewerbs. Der Österreicher JJ sagte im Gespräch mit spanischen Medien, er hoffe, dass Israel 2026 in Wien nicht mehr dabei sein werde. Ähnlich hatten sich bereits Vorjahresgewinner Nemo und 70 weitere ehemalige ESC-Teilnehmer in einem offenen Brief geäußert.
Wie im Vorjahr in Malmö, wurde auch die Veranstaltung in Basel von anti-israelischen Protesten begleitet, auf denen auch antisemitische Parolen skandiert wurden. Derzeit ermittelt die Schweizer Polizei gegen einen Mann mit Palästinensertuch, der der israelischen Delegation und ihrer Sängerin Yuval Raphael mit einer Geste des Halsdurchschneidens gedroht hatte.
Die Forderung ist also ein Jahr später immer noch die gleiche, der sie begleitende Antisemitismus weltweit sogar noch stärker geworden – und die Lage noch dramatischer.
Zum einen, weil mit Yuval Raphael nicht irgendeine Vertreterin Israels auf der Bühne steht. Die 24-Jährige überlebte das bestialische Hamas-Massaker des 7. Oktober, das den Gaza-Krieg auslöste und bei dem fast 1300 israelische Zivilisten ermordet wurden. Raphael versteckte sich über mehrere Stunden in einem Bunker unter den Leichenbergen ihrer Freunde, während ein Hamas-Terrorist immer wieder in die Menge schoss. Sie überlebte, um anderthalb Jahre später unter hohem Sicherheitsrisiko auf einer Bühne zu stehen und ihr Volk zur Hoffnung aufzurufen: „New day will rise“ singt sie, ein neuer Tag wird kommen. Raphael ist damit Symbol der Widerstandskraft eines Volkes, das noch immer die Nachwehen des größten antisemitischen Attentats seit dem Holocaust durchlebt.
Liebe ohne Empathie
Dass sich so viele Künstler eines Festivals, das sich Liebe auf die Fahnen schreibt, in diesem Fall so wenig empathisch zeigen, ist, gelinde gesagt, irritierend. Bei den Menschen vorm Fernseher schienen Bedeutung und Auftritt hingegen besser anzukommen. Wäre es nur nach Publikumsstimmen der Länder und nicht auch nach Jurys gegangen, wäre Israel auf dem ersten Platz gelandet. Für Länder wie Spanien und Belgien, die die israelische Regierung immer wieder kritisieren, Grund genug, das gesamte Voting anzuzweifeln.
Gleichzeitig wahr ist jedoch auch, dass der Krieg in Gaza nicht mehr der gleiche ist wie noch vor einem Jahr. Inzwischen sind laut nicht genau überprüfbaren örtlichen Angaben rund 50.000 Menschen gestorben – die angegebenen Zahlen unterscheiden nicht zwischen Zivilisten und Terroristen. Die gerade von Israel begonnene Bodenoffensive sowie die Versorgungslage im Gaza-Streifen geben inzwischen selbst Verbündeten des Landes wie den USA Anlass zur Sorge. Dass es so weit kommen konnte, liegt an den radikal-islamistischen Hamas-Terroristen, die sich weigern, die verbliebenen 58 Geiseln freizulassen, und sich hinter der eigenen Bevölkerung verstecken. Es liegt aber auch am zunehmend kompromisslosen Vorgehen Benjamin Netanjahus.
Dieses wird als solches jedoch nicht nur international, sondern mehrheitlich auch von der eigenen Bevölkerung kritisiert. In den vergangenen Monaten gingen tausende Israelis gegen die Politik ihrer Regierung auf die Straße. Auch der israelische Rundfunksender Kan, der Israel beim ESC vertritt, äußerte sich in der Vergangenheit wiederholt regierungskritisch. Das alles unterscheidet Israel fundamental von Russland, das seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine vom ESC ausgeschlossen wurde und mit dem das kleine Land von seinen Gegnern immer wieder verglichen wird.
Kritik am militärischen Vorgehen Israels muss möglich sein – und ist es auch, wie nicht zuletzt immer wieder von den Menschen in Israel selbst bewiesen. Für sie stand Yuval Raphael auf der Bühne – und für sie sollte auch im kommenden Jahr in Wien ein neuer Vertreter seine Stimme erheben.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.