Siebzehn Jahre im Amt, das hat nicht einmal Deutschlands bisher einzige Bundeskanzlerin geschafft. Bei Bundespräsidenten ist schon nach höchstens zehn Jahren Feierabend. Hermann Parzinger darf mit seinem Abschied von der Präsidentschaft der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), immerhin eine der bedeutendsten Kultureinrichtungen der Bundesrepublik, also nach 17 Jahren einen Rekord feiern. Im kleinen Kreis von Journalisten, die seine Amtszeit kritisch begleitet haben, zog Parzinger Bilanz – ehe seine Gäste sie interpretieren.

Durchweg positiv! So lautete die Selbsteinschätzung des scheidenden Präsidenten. Seine Amtsgeschäfte wird er nun an seine Nachfolgerin Marion Ackermann übergeben, die sich seit Monaten auf den Job vorbereitet. Sie war bisher Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und tritt ihren Posten am 1. Juni 2025 in Berlin an.

Für Hermann Parzinger war es ein Seitenwechsel, als er im Jahr 2008 die Leitung der SPK übernahm. Der Archäologe hatte sich bis dahin hauptsächlich der Forschung gewidmet, Ausgrabungen vom Kaukasus bis nach Sibirien geleitet und gelehrt. Als Präsident sei es ihm zunächst darum gegangen, den Verbund von Museen, Bibliotheken, Archiven und Instituten zu stärken, was ihm „gut gelungen“ sei.

Mit der Stärkung von Wissenschaft und Forschung in den mehr als zwanzig Einrichtungen trat dann bald das Thema „contested heritage“ ins Zentrum des Interesses und die damit verbundene Frage: „Wie gehen wir mit belasteten Sammlungen um?“ Anfangs standen noch Objekte mit NS-Raubkunstgeschichte im Fokus. Dann rückten auch Artefakte mit kolonialer Biografie ins Licht, mit dem Humboldt Lab habe man früh nach Antworten gesucht.

Heute sei die SPK weltweit wohl die Institution, die am meisten belastete Objekte aus kolonialen Kontexten zurückgegeben habe, mehr als 600 seien es inzwischen, angefangen mit der ersten Restitution von Grabbeigaben aus dem Ethnologischen Museum an indigene Gruppen aus der Chugach Region in Alaska. Über die Digitalisierung und die Restitution solcher Sammlungsgegenstände seien viele andauernde Kooperationen entstanden, so Parzinger, international sei die SPK zu einem der wichtigen Player geworden.

Für ihren anfangs zögerlichen Umgang mit kolonialen Kulturgütern und deren Rückgabe an die Herkunftsländer war die Stiftung kritisiert worden. Mittlerweile unterstreicht Parzinger die auch von der Forschung unterstützte Sichtweise „history remains relevant when shared“. Mit inzwischen sieben festen Stellen für Provenienzforscher ist die SPK inzwischen einigermaßen gut ausgestattet. Problematisch ist die Personalsituation in anderen Bereichen, etwa was die Vermittlung in sozialen Medien angeht. Hier sei dringender Investitionsbedarf, so der scheidende Präsident.

Mit der langen Amtszeit von Hermann Parzinger verbunden bleibt auch die Reform der Preußen-Stiftung, die für ihre schwerfällige Bürokratie geradezu berüchtigt ist. In Parzingers Legislatur ist sie mehrfach evaluiert und begutachtet worden und musste zwischenzeitlich auch ihre Zerschlagung fürchten. Mit der Verabschiedung des neuen SPK-Gesetzes im Bundestag, das am 1. Dezember 2025 in Kraft tritt, wurde unter anderem festgelegt, dass ein Vorstand aus sieben Mitgliedern die Geschäfte führt, der Präsident eine Art Richtlinienkompetenz hat und der Stiftungsrat verkleinert wird. Vom „Preußen“ im Namen trennte man sich nicht.

Parzinger: „Berlin, Insel der Glückseligkeit“

In diesem Stiftungsrat sitzen auch vier Mitglieder des Bundestags, „da wird also die AfD dabei sein“, sagte Parzinger. Auch wenn sie nur Gast-, aber kein Stimmrecht hätten, müsse sich die Stiftung gegen politische Einflussnahme zur Wehr setzen und in Diskussionen „klare Kante“ zeigen. „Vielleicht ist es aber auch gut, dass diese gesellschaftlichen Entwicklungen auch direkt in der SPK ankommen“, so Parzinger. „Da braut sich was zusammen“, in Berlin aber fühle man sich noch auf der „Insel der Glückseligkeit“. Seine Nachfolgerin Ackermann jedenfalls konnte in Dresden schon einschlägige Erfahrungen sammeln, wie rechtsextreme Politiker eine Kulturinstitution in die Enge treiben wollen.

Die SPK habe sich „vom Tanker zur Flotte“ entwickelt. Das liege auch an der gestärkten Position der einzelnen Institutionen, glaubt Parzinger, die sogar zu einer „greifbaren Identifikation mit der Stiftung“ geführt habe. „Sie haben die Interessen ihrer Häuser, denken aber trotzdem für das Ganze, das habe ich vorher so gar nicht erlebt.“ Er glaube an die Idee der Autonomie, der Vorstand müsse aber gegensteuern, wenn sich eine Dynamik entwickele, die „nicht nur positiv“ sei. Dass die mittlerweile drei Nationalgalerien und andere Häuser der Staatlichen Museen zu Berlin parallel agieren, hat auch Kritik hervorgerufen – selbst wenn mit dem letzten Generaldirektor (bevor das Amt abgeschafft wurde) kaum jemand zufrieden war.

Apropos Museen, der Präsident der SPK war auch immer Bauherr. Das wird wohl so bleiben. Eine Milliardenbaustelle wie das Pergamonmuseum kann freilich noch seinen Nachnachfolger beschäftigen. „Wir haben große Themen vor der Brust, das Alte Museum etwa kann nicht mehr lange warten.“ Das Haus der Antikensammlung ist das älteste Gebäude auf der Museumsinsel, die an Parzingers letztem Arbeitstag mit einem Großevent ihren 200. Geburtstag feiert, und völlig marode. Insgesamt 14 Bauprojekte seien in seiner Amtszeit fertig geworden, sagte er: „Keine schlechte Bilanz.“

Trüber wird der Blick auf die Ära Hermann Parzinger, wenn man die Ausstellungen in den Blick nimmt, vor allem solche, die über die Berliner Inselseligkeit hinaus Strahlkraft hatten. Im Vergleich mit anderen Museen und Museumsverbünden – eine um Aufmerksamkeit bemühte SPK muss sich mit Louvre, Tate, Smithsonian etc. messen lassen wollen – ist Luft nach oben. Selbst dem Präsidenten fällt bei der Frage zu den Leuchttürmen außer „Gerhard Richter“ (eine durchaus umstrittene Dauerleihgabe des Künstlers seit 2023), „Gesichter der Renaissance“ (2011) und „Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf“ (ebenfalls 2011) nicht viel ein.

Die Erwartungen an die Kunsthistorikerin und Kuratorin Marion Ackermann, mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz auch in Berlin wieder Ausstellungen auf die Beine zu stellen, die mit Frankfurt, Paris, London und anderen Metropolen konkurrenzfähig sind, sie könnten nicht größer sein.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.