Sind „Vater und Sohn“ zu Vatertag, also Christi Himmelfahrt, auch schon mit dem Bollerwagen rausgefahren? Bestimmt. Den Fans der auch im Ausland bekannten Comic-Reihe kommen unzählige Ausflüge von Vater und Sohn in den Sinn, etwa die Angelpartie: Der Vater wirft die Schnur aus und wartet Pfeife rauchend auf einen Fang, derweil der Knirps heimlich abtaucht und eine vegane Botschaft auf Briefpapier versenkt. Die hat Papi wenig später am Haken: „Wir wollen heute nicht. Hochachtungsvoll: die Fische“.

Unter dem Pseudonym e. o. plauen machte der 1903 geborene Zeichner Erich Ohser aus Plauen „Vater und Sohn“ zu einer unverwechselbaren Marke, die von 1934 bis 1937 in der „Berliner Illustrirten Zeitung“ erschien und Woche für Woche Millionen Menschen erheiterte. Die Illustrierte – im Titel ohne e geschrieben – war zwischen 1891 und 1945 das populärste deutsche Printmedium – und auch noch zu NS-Zeiten unpolitisch, die Nazis hatten es sich aus dem Besitz der jüdischen Verlegerfamilie Ullstein unter den Nagel gerissen.

Ohsers Strich wirkt heute possierlich, das Aussehen seines Duos drollig und die Pointe oft brav. Doch in Zeiten, in denen starke Väter für Prügelstrafen standen, war das Role Model eines herzlichen und wenig autoritären Alleinerziehenden schon eine Sensation für sich. Gegen jede nationalsozialistische Familienpropaganda waren Vater und Sohn – ganz ohne Frau und Mutter – ein maximal ungewöhnliches Gespann. Der Vaterkörper wirkt äußerst tolpatschig und puddingförmig – alles andere als hart wie Kruppstahl.

Einmal backen Vater und Sohn Kuchen, vergessen dabei aber die Rosinen – und schießen sie nachträglich mit der Flinte in den fertigen Gugelhupf. Die Streiche der beiden waren bis auf ein karges Textmotto immer ohne Sprechblasen, minimalistisch in Schwarz-Weiß und expressiv zugleich gezeichnet. Man merkte Ohser, der grafische Künste in Leipzig studiert hatte (und ein enger Freund von Erich Kästner war), die Sozialisation als Karikaturist an.

Vor 1933 hatte Ohser im sozialdemokratischen Blatt „Vorwärts“ Hitler- und Goebbels-Karikaturen gezeichnet, prompt wurde er mit Berufsverbot belegt. Doch pseudonym machte man sich sein Talent weiterhin gern zunutze, nicht untypisch für Diktaturen. Im Widerstand war Ohser nicht. Doch private Witze über die Nazis mochte er nicht lassen: 1944, nach einer Denunziation, wurde er wegen Wehrkraftzersetzung verhaftet. Dem Schauprozess vor dem Volksgerichtshof von Roland Freisler entzog er sich – durch Selbstmord in der U-Haft.

Ohsers Geschichten mit ihren meist sechs bis acht Szenenbildern wurden nach 1945 noch viele Jahrzehnte nachgedruckt, etwa auf der Kinderseite im „Südkurier“, dessen Verlag die Rechte besaß (die mit Ohsers Witwe ins Badische gelangt waren). Heute gibt es Best-of-Bücher, meist antiquarisch. Ob ein Klassiker noch lebendig ist, bemisst sich auch an seinen Adaptionen, Parodien, Überschreibungen. Erst im vorigen Jahr erschien eine feministische Comic-Version von Birgit Weyhe, im formvollendeten Ohser-Stil. Titel der Hommage: „Mutter und Tochter“.

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