Mit Serien ist es wie mit Männern. Manche überzeugen auf den ersten Blick – verlieren dann in der Fortsetzung allerdings derart an Reiz, dass man sich fragt, wieso man sich überhaupt auf mehr als eine Nacht mit ihnen eingelassen hat. Andere wiederum gerieren sich anfangs als unentschlossen, fehlerhaft, nervig – und entwickeln sich dann, nachdem man einige Zeit durchgehalten hat, zum überraschenden Traumpartner.

„And Just Like That“ – die Fortsetzung der Kultserie „Sex and the City“ mit gleicher Besetzung – fing so durchwachsen, ja „cringe“ an, dass einige treue Fans mit Bauchschmerzen abschalteten. Samantha (Kim Cattrall) fehlte; von vier neu eingeführten Frauen interessierten höchstens zwei; die Clique hinkte der Mode hinterher, statt sie mitzuerfinden.

Doch jetzt erscheinen auf WOW die sechs Folgen der dritten Staffel. Und die entpuppen sich als so wunderbar, pointiert und unterhaltsam, dass es sich als großes Glück erweist, über die Makel und „Red Flags“ besonders der ersten und teilweise auch der zweiten Staffel hinweggesehen zu haben. Natürlich sind auch die neuen Folgen nicht perfekt, aber das – so viel haben uns Carries Kolumnen gelehrt – ist nichts und niemand. Nicht einmal Charlotte (Kristin Davis), die sich so sehr bemüht, die perfekte Mutter, Ehefrau und Karrieristin zu sein, dass sie ihr Umfeld damit manchmal regelrecht in den Wahnsinn treibt.

Nachdem sich die Schöpfer inzwischen an vermeintlichen Zeitgeist-Themen wie Transgender, Nicht-Binarität, Coming-out und Antirassismus abgearbeitet zu haben scheinen – und es ihnen trotz Holzhammer nicht gelang, die postfeministisch-weiße Top-Girl-Serie in eine diversere Gegenwart zu übertragen –, folgt jetzt die Besinnung: auf universelle Themen, mit denen sich (erfolg)reiche Frauen in ihren späten 50ern und frühen 60ern herumschlagen, ob sie nun weiß sind oder schwarz, lesbisch oder hetero. Probleme also wie der Tod der Eltern, Krankheiten, Fernbeziehungen und Patchwork-Chaos. Miranda (Cynthia Nixon) muss jetzt keine in jeder Hinsicht extreme Partnerin wie Che (Sara Ramírez) mehr daten, sondern darf sich mit nett-normalen Katastrophen-Frauen treffen, die mindestens genauso viel Spaß machen wie die seriell zum Mond geschossenen Männer der früheren Dating-Jahre.

Nur Seema (Sarita Choudhury) fristet weiterhin ein allzu tragisches Single-Dasein mit dem unerfüllten Wunsch nach einer Partnerschaft, exemplifiziert in ihrem trostlosen Blick aufs leere Doppelbett. Neben charmant-selbstreflexiven Gegenwartsmarkern wie Mirandas Obsession für Reality-TV oder Carries fanatischer Emoji-Exegese überzeugt die äußerst relevante Leitfrage: Ist Monogamie heute noch zeitgemäß? Oder sind wir nicht alle längst ein bisschen poly?

Ein kleines Wunder

Am Serienhimmel gibt es derzeit kaum etwas, das so stilsicher und leichtfüßig in eine angenehme Wohlfühlstimmung versetzt wie „And Just Like That“. Die Ladys tragen (endlich wieder) schicke Kleider, flanieren (endlich wieder) durch exquisite Wohnungen und geben wie eh und je dem eigentlichen Protagonisten Raum: der Stadt, die sich wieder einmal von ihrer besten Seite zeigt. Da Miranda zu ihrem eigenen Entsetzen eine Touristin datet, erhält sogar der Times Square mit einer persönlichen „Wicked“-Einlage seinen Auftritt.

Mit Sinn für Metaphern – etwa wenn Aiden als romantische Geste einen Kiesel gegen Carries Fensterscheibe wirft, diese dann aber zerbricht – schickt Produzent, Regisseur und Schöpfer Michael Patrick King seine Freundinnen durch den Big Apple, mal barfuß, mal in High Heels, aber immer mit der rechten Prise Selbstironie und Resilienz. Dabei gelingt ihm ein kleines Wunder: Carrie (Sarah Jessica Parker) mit all ihren liebenswerten Schussseligkeiten so altern zu lassen, dass sich ihre Liebesgeschichte mit Aidan (John Corbett) wie die natürlichste Fortsetzung der Welt anfühlt.

Ab dem 30. Mai erscheint jede Woche eine neue Folge der dritten Staffel „And Just Like That“ auf WOW.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.