Es ist zehn Uhr abends im «New Afrika Shrine» in Lagos. In dem vielleicht bekanntesten Musikclub Afrikas – gegründet in den 1970er-Jahren von der nigerianischen Musikerlegende Fela Kuti – findet heute ein Talentabend statt.
Nigerianische Jungmusiker performen auf der breiten Bühne ihre besten Songs. Und obwohl die grosse Halle des «Shrine» an diesem Dienstagabend nicht besonders gut besucht ist und manches noch etwas roh tönt, ist klar: Wer heute hier auftritt, ist vielleicht morgen schon der nächste Star des Afrobeat.
Die Heimat des Afrobeat
Denn Lagos ist nicht nur die grösste Stadt Afrikas. Lagos ist auch die Heimat des Afrobeat – jenes Musikgenres, das international gerade für Furore sorgt, und zwar längst auch ausserhalb Afrikas.

Songs wie «Calm down» von Rema, «Last Last» von Burna Boy oder «Rush» von Ayra Starr haben in den letzten Jahren von der nigerianischen 25-Millionen-Metropole aus die Welt erobert. Auf Spotify wurden sie bereits hunderte Millionen Mal gespielt. Alleine im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der nigerianischen Songs, die auf dem Online-Streamingdienst angeklickt wurden, verdoppelt.
Die Rolle der nigerianischen Diaspora
Doch was ist der Grund für diesen internationalen Erfolg? Kunle Tejuoso ist ein langjähriger Beobachter nigerianischer Musik. Bereits Anfang der 1990er-Jahre – noch während der Militärdiktatur – eröffnete er in Lagos einen Plattenladen, den «Jazzhole».

Für ihn ist klar: Wichtig für die weltweite Verbreitung des Afrobeats waren vor allem die vielen Nigerianerinnen und Nigerianer im Ausland. Diese hörten sich nämlich auch in den USA oder in Grossbritannien oft Afrobeat-Songs an – und steckten andere damit an.
Musik ist eine gute Plattform, um der Welt zu zeigen, dass wir nicht nur Kriminelle oder Betrüger sind.
Der Plattenladen-Besitzer fügt hinzu, dass auch in Nigeria selbst das Interesse an der eigenen Musik enorm gewachsen sei: «In meiner Generation hat man an Partys vor allem amerikanische Musik gehört. Heute werden von den Jungen fast nur noch Afrobeats gespielt.»
Werbung für Nigeria
Einer, der die eingängigen Beats einiger Songs gemacht hat, ist der Produzent David Edeaghe Sunny. Er sagt, der Afrobeat helfe auch, das verzerrte internationale Image seines Landes geradezubiegen: «Musik ist eine gute Plattform, um der Welt unsere echte Identität zu zeigen. Zu zeigen, dass wir nicht nur Kriminelle oder Betrüger sind, wie manche denken, sondern gute Leute mit guten Ideen und einem kreativen Spirit.»
Das sieht auch der Plattenladen-Besitzer Tejuoso so. Trotzdem begegnet der Jazz-Liebhaber vielen neuen Afrobeat-Hits mit einer gewissen Skepsis. «Ich mag es nicht, dass unsere Musik fast nur noch Partymusik ist», sagt er. «Früher musste Musik eine Bedeutung haben. Heute ist die Aufmerksamkeitsspanne kurz, vieles ist nur Boom-Boom.»
Doch egal, ob man Afrobeats zugetan ist oder nicht – in einem sind sich in Lagos fast alle einig: die globale Erfolgswelle dieses Genres hat gerade erst begonnen. Und sie wird so rasch nicht abebben.
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