Zu viel Fleisch schadet Gesundheit und Klima. Deshalb empfiehlt der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik und Ernährung, Alternativen zu tierischen Lebensmitteln steuerlich nicht weiter zu benachteiligen.
Schon seit Jahren raten Forscher dazu, weniger Fleisch- und Milchprodukte zu konsumieren. Um eine nachhaltigere Ernährung zu erreichen, empfiehlt nun der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE), Alternativprodukte stärker zu fördern.
Die Agrar- und Ernährungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sehen in alternativen Lebensmitteln wie etwa Sojaschnitzel, Hafermilch und Zellkulturfleisch große Chancen für Umwelt und Gesundheit. Das ist das Fazit ihres Gutachtens, das sie heute Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) überreichen.
Weniger Treibhausgase, weniger Umweltprobleme
Alternativprodukte könnten helfen, Fleisch und Wurstwaren alltagstauglich zu reduzieren, erklärt der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats, Agrarforscher Achim Spiller von der Universität Göttingen. Dabei gehe es nicht um die Abschaffung der Tierhaltung, sondern um Auswahlmöglichkeiten und nachhaltige Optionen beim Essen für alle, so Spiller.
Da die alternativen Lebensmittel in der Küche ähnlich eingesetzt werden können wie Milch- und Fleischprodukte, könnten sie besonders unkompliziert dazu beitragen, dass tierische Produkte schrittweise ergänzt oder ersetzt werden, heißt es im Gutachten. Das sei wichtig, weil pflanzliche Alternativen zum Beispiel weniger klimaschädliche Treibhausgase und weniger Umweltprobleme wie etwa zu hohe Nährstoffeinträge verursachten als Fleisch- und Milchprodukte.
Kritik an steuerlicher "Ungleichbehandlung"
Deshalb kritisiert das wissenschaftliche Gremium die "Ungleichbehandlung von Alternativprodukten bei der Mehrwertsteuer" und fordert die Bundesregierung auf, diese so schnell wie möglich zu beenden. Im Moment unterliegen viele pflanzenbasierte Alternativprodukte dem regulären Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent, während vergleichbare tierische Produkte nur mit sieben Prozent besteuert werden.
Das stelle laut Gutachten ein "strukturelles Hemmnis für die Wettbewerbsfähigkeit" von Alternativprodukten dar. Sie sollten daher auf keinen Fall höher besteuert werden als tierische Lebensmittel. Der Beirat empfiehlt außerdem eine schrittweise und moderate Erhöhung der Mehrwertsteuer auf tierische Lebensmittel.
Alternativprodukte unterschiedlich gesund
Damit Verbraucherinnen und Verbraucher bewusster einkaufen können, schlägt der Agrarrat auch ein Klimalabel für tierische Produkte und seine Alternativen vor. Das könne mehr Transparenz schaffen und helfen, den Absatz klimafreundlicher Alternativprodukten zu erhöhen.
Auch aus gesundheitlichen Gründen rät das Gremium, den Verzehr von tierischen Lebensmitteln zu senken - insbesondere von rotem Fleisch wie Schwein und Rind sowie von Wurstwaren. Dadurch würde zum Beispiel das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes und Dickdarmkrebs verringert.
Die Forscherinnen und Forscher weisen aber auch darauf hin, dass Alternativprodukte unterschiedlich gesund seien. Einige enthielten zum Beispiel mehr Salz und deutlich weniger gut verfügbares Eisen als Fleisch, während Alternativprodukte zu Milch oder Milchprodukten teilweise zuckerreicher als herkömmliche Milchprodukte seien; hier müsse man genau hinschauen.
Es könne auch teils gesünder sein, gleich ganz auf Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst und Vollkorngetreide umzusteigen, da diese in der Regel mehr Ballaststoffe als verarbeitete Alternativprodukte enthalten, so das Gutachten. Das sei ein Vorteil für die Darmgesundheit. Aber insgesamt geht es dem wissenschaftlichen Gremium nach eigener Aussage vor allem um eine pragmatische Reduktion von tierischen Lebensmitteln, und dabei könnten Alternativprodukte helfen, so das Ergebnis.
Fleisch aus Zellkulturen
Neben pflanzlichen Alternativen empfiehlt der Agrar-Beirat auch, sogenannte biotechnologische Alternativprodukte wie etwa Fleisch, das aus Zellkulturen hergestellt wird, weiterzuentwickeln. Dabei wird im Labor das Wachstum von Muskelgewebe nachgeahmt, um daraus etwa Hackfleisch herzustellen. Auch biotechnologische Alternativprodukte zu Milch und Fisch sind denkbar. Marktreife Produkte seien dazu aber bisher noch nicht vorgestellt worden, heißt es im Gutachten.
Deutschland sollte hier auch aus ökonomischen Gründen Forschung fördern und frühzeitig auf Innovationen setzen, statt international im Wettbewerb zurückzufallen. Denn trotz der vorhandenen Unsicherheiten sei davon auszugehen, dass Alternativprodukte hohe Marktanteile erreichen könnten. Man sollte hier nicht die Fehler aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien wiederholen, wo eine anfangs technologieführende heimische Branche ausgebremst wurde, fordert Agrarwissenschaftler Spiller.
Mehr Fleischkonsum als empfohlen
Bisher machen in Deutschland Alternativprodukte im gesamten Bereich der tierischen Lebensmittel und ihrer Alternativen nur einen Anteil zwischen ein und zwei Prozent der verkauften Mengen aus. Der Konsum von Fleisch sinke zwar, heißt es, aber durch die zugleich leicht steigende Nachfrage nach Milchprodukten bleibe eine deutliche Senkung der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen bislang aus.
Grundsätzlich wird in Deutschland weiter mehr Fleisch und Wurst verzehrt als empfohlen - wöchentlich mehr als ein Kilogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt dagegen lediglich 300 Gramm pro Woche. Perspektivisch rät der der wissenschaftliche Agrarrat deshalb auch, eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages einzurichten, um Lösungen für mehr Nachhaltigkeit zu finden und auch, um die polarisiert geführte Debatte zu versachlichen.
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