Europa spreche nicht mehr mit einer Stimme – so kommentiert Armin Laschet den Vorstoß von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Anerkennung Palästinas. Die Hamas fühle sich als Sieger – und jede Hoffnung auf Fortschritte im Nahost-Konflikt sei vorerst blockiert. Im Interview mit WELT TV warnt der CDU-Politiker vor einer Spaltung der EU und fordert mehr diplomatische Abstimmung.

WELT: Schon immer waren vor allem die deutsch-französischen Beziehungen für Sie ein großes Thema. Wie überrascht waren Sie jetzt von der Ankündigung durch Präsident Macron – und was steckt Ihrer Meinung nach dahinter?

Armin Laschet: Ich bin überrascht. Und es widerspricht allem, was Präsident Macron beispielsweise in seiner Sorbonne-Rede von der europäischen Außenpolitik erwartet. Er hat das Ziel, eine gemeinsame europäische Außenpolitik zu schaffen, mit einer Stimme zu reden. Und dann macht er solche Alleingänge unabgestimmt mit den europäischen Partnern. Es ist ein trauriger Tag für die europäische Außenpolitik. Europa wird so jedenfalls in der Zukunft nicht mehr ernst genommen.

WELT: Will sich Macron profilieren? Oder andere Partner, etwa Deutschland, vor den Kopf stoßen? Was steckt aus Ihrer Sicht dahinter?

Laschet: Ich weiß nicht, was er will. Ich weiß nicht, ob es innenpolitische Gründe hat. Er hat eine große arabische Minderheit im eigenen Land. Ob er der gefallen will? Es schwächt nur eine Friedenslösung. Es schwächt die Freilassung der Geiseln. Die Verhandlungen wurden abgebrochen. Und heute kriegt die Hamas als Belohnung das Signal, dass es einen palästinensischen Staat geben wird. Was soll jetzt noch die Hamas dazu bewegen, die Waffen niederzulegen? Also mir erschließt sich gar nicht der Sinn dieser Strategie. Und auch der Zeitpunkt erschließt sich mir nicht. Wenn Macron das auf der UN-Vollversammlung im September verkünden will, warum muss er das jetzt am 24. Juli in dieser Form machen? Das ist aus meiner Sicht kein Meisterstück der französischen Diplomatie.

WELT: Es heißt, die Bundesregierung gerieten nun unter Druck. Deutschland plant „kurzfristig“ keine Anerkennung eines Palästinenserstaates, teilte ein Sprecher mit. Dennoch gibt es hierzulande Debatten – etwa im Auswärtigen Amt oder in der SPD-Bundestagsfraktion – über unsere Israel-Politik. Wie sollte Bundeskanzler Friedrich Merz damit umgehen?

Laschet: Das sind unterschiedliche Themen. Das eine ist: Diplomaten schließen sich zusammen und machen eigene Resolutionen. Das geht überhaupt nicht. Sie können nicht zu Russland, zur Ukraine, zu Gaza, zu Sudan plötzlich als Beamte eigene Positionen entwickeln. Dafür haben wir eine Bundestagswahl. Dafür haben wir einen gewählten Außenminister. Dafür haben wir einen Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik vorgibt – und nicht Jungdiplomaten in Chatgruppen. Das muss eingestellt werden, weil es die deutsche Außenpolitik schwächt.

Das Zweite ist: Der Bundeskanzler hat deutlich gegenüber Israel die Erwartung ausgedrückt, dass jetzt verstärkt humanitäre Hilfe in den Gazastreifen kommt. Wir haben da unterschiedliche Berichte. Der amerikanische Botschafter sagt, die Güter stehen quasi an der Grenze, aber die UN will sie nicht verteilen. Da gibt es Kompetenzstreitigkeiten, aber das darf nicht sein. Israel muss alles tun, damit die humanitäre Lage im Gazastreifen verbessert wird. Das ist auch eine Position, bei der wir uns mit der SPD einig sind.

WELT: Wenn wir noch einmal auf die beiden zentralen Punkte schauen: Die Geiseln, deren Schicksal weiter ungewiss ist – und die Zivilisten in Gaza, die ums Überleben kämpfen. Friedrich Merz hat betont, mehr tun zu wollen. Aber kann er das überhaupt, wenn es in der Regierung keine gemeinsame Linie gibt?

Laschet: Die Kritik des Kanzlers an Israel – etwa im Telefonat mit Premierminister Netanjahu – wird von der SPD unterstützt. Da gibt es keine unterschiedlichen Meinungen. Die Frage war eher: Hätte man diese Resolution mit Australien und Neuseeland unterschreiben sollen? Ich bin leidenschaftlicher Europäer und würde sagen: Das macht man nicht in Resolutionen, sondern das macht man unter den Staats- und Regierungschefs zusammen. Und die Zielsetzung, die die SPD da hat, ist nicht so unterschiedlich zu der, die die Union hat.

WELT: Was glauben oder hoffen Sie – wann können wir die nächsten Schritte sehen, um Geiseln zu befreien und das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu lindern?

Laschet: Das ist ja das Schreckliche. Das ist jetzt alles erschwert worden. Bis zum gestrigen Abend haben wir alle gehofft, dass die Hamas nachgibt, dass sie die Waffen niederlegt, dass sie die Geiseln freilässt. Dann wäre der Gaza-Krieg zu Ende. Dann könnten Lebensmittel ins Land, dann könnte eine palästinensische Administration die Verwaltung übernehmen. Dann könnte sich Israel zurückziehen. All das wäre möglich, aber die Hamas hat bis zum Ende blockiert. Sie hat gepokert. Sie hat darauf gesetzt, dass die Europäer diesen klaren Kurs der Amerikaner nicht unterstützen. Und sie haben jetzt durch Präsident Macron ihren Erfolg bekommen. Und deshalb fürchte ich, dass jetzt mal wieder Wochen ins Land gehen, gar nichts passiert, weil die Hamas sich im Moment als Sieger fühlt und gestern ja auch schon Präsident Macron ausdrücklich gelobt hat.

Dieses Transkript des Interviews bei WELT TV entstand mithilfe Künstlicher Intelligenz. Für bessere Lesbarkeit wurde das gesprochene Wort leicht redaktionell bearbeitet.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.