Wird ProSiebenSat.1 italienisch oder tschechisch? Um den Konzern ist ein Bieterwettkampf entbrannt. Mittendrin: das Medienimperium des verstorbenen Silvio Berlusconi. Kulturstaatsminister Weimer hat Bedenken.

Der tschechische Finanzinvestor PPF und die italienische MediaForEurope (MFE), die Holding der Berlusconi-Familie, kämpfen um die Übernahme des Medienkonzerns ProSiebenSat.1. MFE hatte im März erklärt, die Gruppe übernehmen zu wollen. Als größter Einzelgesellschafter hält das Unternehmen derzeit 29,99 Prozent und will die vollständige Kontrolle über ProSiebenSat.1 gewinnen.

Im Weg steht dabei der tschechische Miteigentümer PPF. Er ist derzeit mit knapp 15 Prozent beteiligt und will auf bis zu 29,99 Prozent aufstocken. Nun erhöht MFE das Angebot. Pier Silvio Berlusconi, der Chef der Familienholding, sagt zu der Aufstockung, dies geschehe "nicht, weil unser anfängliches Angebot unangemessen gewesen wäre, sondern weil wir von dem Industrieprojekt überzeugt sind, das wir seit Jahren als Hauptaktionär unterstützen". Ein PPF-Sprecher wollte sich nicht zu dem Vorstoß von MFE äußern.

Bedenken der Bundesregierung

Berlusconi bekräftigte, sein Unternehmen wolle die deutsche Senderkette (Pro7, Sat.1, Kabel 1 und weitere Spartensender) nicht komplett übernehmen. "Wir zielen nicht auf vollständige Kontrolle ab, sondern auf Flexibilität, die es uns ermöglicht, eine klare Richtung vorzugeben, die auf einer gemeinsamen Vision beruht", sagte Berlusconi.

MFE werde die redaktionelle Unabhängigkeit und die nationale Identität von ProSieben bewahren, betonte der Medienunternehmer. Damit reagierte er auch auf die Bedenken der Bundesregierung, die sich am Wochenende eingeschaltet hatte. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer lud Berlusconi zu einem Gespräch ins Kanzleramt ein. "Ein Eigentümerwechsel darf nicht zu einer Einschränkung der journalistischen Unabhängigkeit führen", betonte Weimer.

Kritik vom Deutschen Journalistenverbandes

Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV), Mika Beuster, begrüßte den Vorstoß Weimers: "Wir warnen bereits seit Längerem vor der Übernahme durch die Berlusconi-Erben. Zum einen aus Sorge um journalistische Arbeitsplätze, zum anderen wegen der bedenklichen Nähe der MFE-Medien zu rechtspopulistischen Positionen."

Pier Silvio Berlusconi ist der Sohn des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, dem gute Verbindungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin nachgesagt wurden. Deutschland hat der Regierung in Moskau wiederholt die bewusste Verbreitung von Desinformation in Europa vorgeworfen.

Erhöhtes Angebot und vermeintlich Millionen-Einsparungen

Beim nun vorliegenden neuen Angebot bleibe die Barkomponente von 4,48 Euro je Aktie unverändert, teilte die italienische MediaForEurope mit. Aber es würden nun zusätzlich 1,3 eigene Aktien dazu geboten, nach ursprünglich 0,4 Aktien. Gleichzeitig rechnete MFE vor, dass Einsparungen und Ergebniseffekte von mehr als 400 Millionen Euro einem Zusammenschluss beider Unternehmen machbar wären - "sofern und sobald sie realisierbar ist". Dabei gehe es vor allem um Werbung, Technologie und Daten.

ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets reagierte wohlwollend. "Wir unterstützen (...) ein paneuropäisches Projekt, auch in enger Zusammenarbeit mit MFE, und freuen uns auf die Fortsetzung der gemeinsamen Gespräche."

Reaktionen der Aktionäre

MFE und PFF haben bisher kaum ProSiebenSat.1-Aktionäre aus der Reserve gelockt. Die meisten institutionellen Investoren warten aber bei Übernahmeangeboten oft bis zum letzten Moment.

Die Annahmefrist läuft weiterhin bis zum 13. August. Sollte eines der beiden Angebote nach dem 30. Juli erhöht werden, verlängert sich die Frist um zwei Wochen. Einige Spekulanten haben den Kurs nach Anhebung der Offerte allerdings in die Höhe getrieben.

Früher war ProSiebenSat1 mal im DAX

Mittel- und langfristig büßte ProSiebenSat.1 deutlich an Wert ein. Seit dem Rekordhoch von etwas mehr als 50 Euro im November 2015 sackte der Kurs um rund 85 Prozent ab. Das Unternehmen ist nach dem Rutsch nur noch rund 1,8 Milliarden Euro wert.

Die Aktie ist inzwischen nur noch im SDAX gelistet, nachdem das Papier zwischen März 2016 und März 2018 sogar im DAX notiert war.

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