Anfang August vermeldete das sudanesische Militär einen der ungewöhnlichsten militärischen Erfolge seit Beginn des Bürgerkriegs im April 2023. Über dem von der Miliz Rapid Support Forces (RSF) kontrollierten Flughafen der Stadt Nyala in Darfur sei ein Transportflugzeug abgeschossen worden. Es stamme aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), die mit der RSF verbündet ist.

An Bord, so die Darstellung der Armee, befanden sich Waffen, Ausrüstung – und Dutzende kolumbianische Söldner. Sie sollten demnach an der Seite der RSF kämpfen. Mindestens 40 von ihnen seien ums Leben gekommen. Abu Dhabi wies die Vorwürfe als „haltlos“ zurück. Doch Aussagen ehemaliger Kämpfer sowie Videos in den sozialen Netzwerken stützen die Behauptung, dass die RSF auf Hunderte kolumbianische Kämpfer zurückgreift, rekrutiert über emiratische Netzwerke.

Dafür bekommen sie jeweils umgerechnet rund 2600 Dollar Gehalt, berichtete das Magazin „The Africa Report“. Für den Einsatz spricht auch, dass Kolumbiens Präsident Gustavo Petro angekündigt hat, die Rückführung von Leichen kolumbianischer Staatsangehöriger zu prüfen. Und rigoros gegen das völkerrechtlich verbotene Söldnergeschäft vorzugehen.

Die Präsenz von Kolumbianern in Konflikten, an denen die VAE beteiligt sind, ist kein Novum: Bereits im Jemen-Krieg setzte Abu Dhabi ab dem Jahr 2015 auf kampferprobte Ex-Soldaten aus dem lateinamerikanischen Land, angeworben über private Sicherheitsfirmen. Auch im Sudan übernehmen diese Kämpfer offenbar mehr als reine Unterstützungsrollen – sie bilden den Angaben zufolge RSF-Einheiten im Einsatz moderner Waffensysteme aus und führen Truppen in Gefechten.

Neben Kolumbianern finden sich in den RSF-Reihen auch Kämpfer aus einigen dieser Nachbarländer des Sudans. Bei einer Recherche der WELT in der sudanesischen Großstadt Omdurman führte die Armee im vergangenen Dezember gefangengenommene Söldner vor.

Ein Mann aus dem Tschad gab an, er habe sich angeschlossen, weil er zu einer ethnischen Gruppe gehöre, die in der RSF stark vertreten sei. Und weil ihm ein Vielfaches seines Verdienstes als Farmer geboten worden sei. Ein zweiter Kämpfer aus dem Südsudan behauptete, er sei bei Kriegsausbruch ein Bauarbeiter in der Hauptstadt Khartum gewesen – und von der RSF gezwungen worden, sich dem Kampf anzuschließen.

Verifizieren lässt sich das kaum, die Motivation ist jedoch selten politischer Natur. Einige werden aus dem in den VAE abgewickelten Goldhandel der RSF bezahlt, in vielen Fällen wird den Söldnern aber auch schlicht freie Hand bei Plünderungen und Wegzöllen gelassen. Die RSF wiederum behauptet, dass auch die Armee Söldner einsetzt, etwa Scharfschützen aus der Tigray-Region in Äthiopien. Sudans Armee ließ das unkommentiert, die Regionalregierung in Tigray dementierte allerdings entschieden.

Humanitäre Lage spitzt sich weiter zu

Während externe Akteure den Konflikt anheizen, verschärft sich für Millionen Sudanesen die humanitäre Lage dramatisch. El-Fasher, die letzte Bastion der Armee im Westen des Sudans, ist seit 15 Monaten von RSF-Einheiten eingekesselt. Märkte sind leer, die Preise explodieren, und in den Flüchtlingslagern Abu Shouk und Zamzam sterben täglich Kinder an Hunger. Allein in der vergangenen Woche sind dort laut den Vereinten Nationen mehr als 60 Menschen verhungert, zudem starben Dutzende Zivilisten bei Angriffen auf Abu Shouk.

Gleichzeitig erlebt das Land die schlimmste Cholera-Epidemie seit Jahren. Seit Juli 2024 registrierte die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ (MSF) knapp 100.000 Verdachtsfälle und über 2470 Todesopfer. In der Stadt Tawila, wohin 380.000 Menschen vor den Kämpfen geflohen sind, sei das Behandlungszentrum völlig überlastet. „In den Camps sind Menschen dazu gezwungen aus verschmutzten Wasserquellen zu trinken“, sagte MSF-Koordinator Sylvain Penicaud.

Einige hätten gar aus einem Brunnen getrunken, in dem nur zwei Tage zuvor ein Toter gefunden worden sei. „Die Situation erfordert unverzügliches Handeln. Jeder Tag Verzögerung kostet Menschenleben“, mahnte MSF-Landeschefin Tuna Turkmen. Es sei nicht hinnehmbar, dass Überlebende der Kämpfe an vermeidbaren Krankheiten sterben.

Längst hat sich der Krieg im Sudan zur schlimmsten humanitären Katastrophe der Welt entwickelt. Über 30 Millionen Menschen – mehr als zwei Drittel der Bevölkerung – sind auf Hilfe angewiesen, darunter 16 Millionen Kinder. Mit über elf Millionen Binnenvertriebenen verzeichnet der Sudan die größte Vertreibung innerhalb eines Landes seit Beginn der UN-Aufzeichnungen. Mehr als in Syrien auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs. Hinzu kommen vier Millionen Flüchtlinge, die sich in die Nachbarländer gerettet haben.

Kein öffentlicher Druck auf Emirate

Hoffnung auf eine baldige Beilegung des Sudan-Konflikts gebe es derzeit wenig, sagt Gerrit Kurtz von der „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP) WELT. Die USA bemühten sich zwar durchaus, doch die Trump-Regierung finde im Sudan keinen Ansatz für ihre „sehr transaktionale, ressourcenorientierte“ Diplomatie unter Präsident Donald Trump.

So wurde ein für Ende Juli in Washington geplantes Treffen der Außenminister der USA, Saudi-Arabien, den VAE und Ägypten im letzten Moment auf unbestimmte Zeit verschoben. Die RSF-Verbündeten aus den VAE und Ägypten, das traditionell auf der Seite von Sudans Armee steht, hatten sich nicht auf eine Abschlusserklärung einigen können. Es ging um eine Formulierung, die sowohl Sudans Streitkräfte als auch die RSF davon ausschließen sollte, eine führende Rolle in einer zukünftigen Regierungsstruktur zu übernehmen.

Sudan-Experte Kurtz hält es für höchste Zeit, dass der internationale Druck auf die Emirate erhöht wird, ihre Unterstützung für die Miliz einzustellen. Öffentliche Kritik bleibe weitgehend aus – auch von deutscher Seite. Als Beispiel für diese Zurückhaltung nennt Kurtz die Sudan-Konferenz in London vor einigen Monaten.

Aus Rücksicht auf den Golf-Staat hätten die Organisatoren – darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien – die RSF nicht einmal namentlich erwähnt, obwohl diese kurz zuvor im Zamzam-Flüchtlingslager über 1.000 Menschen getötet und rund 400.000 vertrieben habe. „Das haben viele Beobachter als ziemlichen Rückschlag empfunden“, sagt Kurtz, „und das völlig zu Recht.“

Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.

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