In Deutschland ist eine weitere Gruppe Afghanen mit Aufnahmezusage angekommen. Am Montagnachmittag landete ein Flugzeug mit 45 Menschen aus Afghanistan, wie das Bundesinnenministerium mitteilte. „Es handelt sich hierbei ausschließlich um Personen, die über Gerichtsverfahren die Vergabe von Visa erwirkt haben“, teilte eine Sprecherin mit. „Unter diesen Personen sind keine Ortskräfte.“ Es hätten jedoch alle „das Aufnahmeverfahren und die Sicherheitsprüfung vollständig durchlaufen“.

Nach der Ankunft in Hannover sollten in die Erstaufnahmeeinrichtung in Friedland gebracht werden, teilte die Hilfsorganisation Kabul Luftbrücke mit. Zwei weitere Passagiere wurde für den Abend erwartet.

Nach WELT-Informationen soll es sich bei den 47 Personen aus Afghanistan um zehn Familien handeln, die sich aus 19 Frauen, 20 Minderjährigen und acht Männern zusammensetzen.

Wadephul: „Außerordentlich schwierigen Situation“

In Pakistan sitzen laut Auswärtigem Amt derzeit rund 2100 Afghanen fest, die eigenen Angaben zufolge eine Zusage für die Aufnahme in Deutschland haben. Bundesaußenminister Johann Wadephul sprach diesbezüglich von einer „außerordentlich schwierigen Situation“.

„Wir haben als Koalition klar vereinbart, freiwillige Aufnahmeprogramme zu beenden, dazu stehen wir“, sagte Wadephul vor seiner Abreise zu einem Besuch in Indien. „Wir stehen aber auch dazu, rechtsverbindliche Aufnahmezusagen einzuhalten und sie umzusetzen, das honorieren wir.“

Es gehe jetzt darum, dass die noch offenen Verfahren „rechtsverbindlich abgewickelt werden“. Dazu habe die pakistanische Regierung eine Fristverlängerung bis Jahresende gewährt. Geprüft wird zunächst, ob die Aufnahmezusage rechtsverbindlich ist, zudem wird bei jedem Antragsteller eine Sicherheitsüberprüfung vorgenommen.

Nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban in Afghanistan vor vier Jahren hatte die Bundesregierung besonders gefährdeten Menschen – sogenannten Ortskräften, Menschenrechtlern und Journalisten – eine Aufnahme in Deutschland zugesichert. Trotz der Zusagen wurden ihnen dann jedoch monatelang keine Dokumente ausgestellt. Die schwarz-rote Bundesregierung stoppte das Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Afghanen im Mai.

Dass jetzt einige der Betroffenen dennoch mit ihren Angehörigen einreisen dürfen, liegt daran, dass sie vor deutschen Gerichten erfolgreich auf Ausstellung von Visa geklagt hatten. Dutzende ähnliche Fälle sind weiterhin vor dem Berliner Verwaltungsgericht angängig. Zuletzt hatte das Gericht dem Auswärtigen Amt Zwangsgelder von bis zu 10.000 Euro angedroht, wenn weiterhin keine Visa ausgestellt würden.

Zusätzliche Dringlichkeit hatte die Angelegenheit bekommen, nachdem die pakistanischen Behörden damit begonnen hatten, im Zuge einer Abschiebungswelle auch Afghanen aus dem deutschen Aufnahmeprogramm nach Afghanistan abzuschieben. Das Auswärtige Amt teilte mit, etwa 210 der rund 2000 Menschen aus dem Programm, die sich zuletzt in Pakistan aufgehalten hätten, seien nach Afghanistan abgeschoben werden, man stehe mit ihnen in Kontakt.

Nouripour: Eine Frage der Verlässlichkeit Deutschlands

Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour verteidigte die Einreise der Afghanen nach Deutschland. „Wir reden hier nicht über irgendwelche Leute, die nach Deutschland wollen. Wir reden über Leute, die ihr Leben riskiert haben, um der Bundeswehr beispielsweise in Afghanistan zu helfen. Und dafür haben sie ein Schutzversprechen bekommen“, sagte der Grünen-Politiker im Interview mit WELT TV.

Natürlich könne man „nicht alle nehmen“, gab Nouripour zu. Aber das Versprechen, diejenigen aufzunehmen, die geholfen hätten, müsse eingelöst werden. „Das ist nicht nur eine Frage von Rechtsstaat. Es ist nicht nur eine Frage von Migrationspolitik. Es ist eine Frage der Verlässlichkeit Deutschlands in der Welt.“ Ansonsten könnten sich potenzielle Ortskräfte künftig die Frage stellen, „ob man den Deutschen trauen“ und „bereit sein kann, für sie auch ihr Leben zu riskieren“.

Nouripour betonte, die Problematik sei nicht, „dass jetzt Flieger kommen. Die Problematik ist, dass diese Bundesregierung nicht imstande ist, solche Fälle von denjenigen, die ausreisepflichtig sind, zu trennen“. In der Migrationsdebatte werde alles „quasi in einen Sack reingedrückt“ und „drauf geprügelt“. Der Grünen-Politiker fügte hinzu: „Aber die Gerichte haben entschieden und diese Regierung hätte es auch deutlich einfacher und ohne diese Niederlage haben können.“

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