Das Gesetz zur Anpassung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) könnte die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber erheblich verzögern. Das geht aus einer internen Stellungnahme des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) hervor, über die der „Focus“ berichtet.
Demnach führe ein Konstruktionsfehler im Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Mehraufwand für Behörden und Justiz. Das Ziel, die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu beschleunigen, werde „durch die Neuregelung konterkariert“, so die Stellungnahme.
Um jemanden abzuschieben, braucht es eine Abschiebungsandrohung. Diese wird von der Ausländerbehörde ausgesprochen, wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde. Dagegen kann ein Asylbewerber Klage einreichen. Laut dem VGH liegt das Problem darin, dass der Gesetzentwurf aktuelle EU-Rechtsprechung ausblende. Demzufolge muss die Ausländerbehörde nach Abschluss des Verfahrens eine neue Abschiebeandrohung aussprechen. Dagegen kann der Asylbewerber erneut Rechtsschutz einlegen, wodurch sich das Verfahren verlängern würde.
Zudem kritisiert der VGH, dass das Gesetz bei Klagen gegen Asylentscheidungen für Verwaltungsgerichte eine Frist von sechs Monaten vorsieht. Dies sei „unrealistisch“. Die tatsächliche Dauer betrage deutschlandweit im Durchschnitt 17,1 Monate. Welche Sanktionen die Nichteinhaltung der Frist nach sich ziehe, sei „unklar“.
Kritik an den Gesetzesentwürfen zur Umsetzung der GEAS-Reform erfolgte unterdessen durch „Handicap International“, eine gemeinnützige Organisation für Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Die geplanten Änderungen seien ein „Katalog der Grausamkeiten“ für alle nach Deutschland geflüchteten und migrierten Menschen mit Behinderungen.
Trotz der vielfachen Forderung aus der Zivilgesellschaft, bei der Umsetzung den Schutz besonders vulnerabler Gruppen zu stärken, dominieren Abschottung, Ausgrenzung und Leistungsentzug das Vorhaben. „Handicap International“ fordert die Bundesregierung auf, die Gesetzesentwürfe grundlegend zu überarbeiten und dabei sicherzustellen, dass eine überarbeitete Fassung den Anforderungen von Verfassung, EU- und Völkerrecht entspricht.
Besonders alarmierend: Die Schutzgarantien für Menschen mit Behinderungen aus der neuen EU-Aufnahmerichtlinie werden nur lückenhaft oder gar nicht berücksichtigt. Wichtige Garantien wie die Ermittlung besonderer Bedürfnisse, etwa bezüglich barrierefreier Unterkunft, Teilhabe und Gesundheitsversorgung, bleiben hinter den europarechtlichen Anforderungen zurück. Zentrale Versorgungsansprüche, wie das Recht, aus einer Unterkunft entlassen zu werden, die für Menschen mit Behinderungen nicht geeignet ist, sind gar nicht umgesetzt.
„Ein einheitliches, verpflichtendes Verfahren zur Bedarfsfeststellung ist Voraussetzung für angemessene Versorgung und Gleichbehandlung, unabhängig davon, ob jemand in Frankfurt am Flughafen oder in einer Einrichtung in Thüringen ankommt“, betont Sophia Eckert, Politische Referentin für Flucht, Migration, Behinderung bei „Handicap International“. „Nur wenn besondere Bedürfnisse spezifisch erfasst und eine entsprechende Versorgung sichergestellt wird, ist ein faires Asylverfahren und ein würdevolles Leben für Menschen mit Behinderungen überhaupt möglich. Stattdessen wird deutlich: Die Rechte geflüchteter Menschen mit Behinderungen interessieren die Verantwortlichen augenscheinlich wenig.“
Während Schutzmaßnahmen fehlen, nutzt das Bundesinnenministerium den Spielraum für Verschärfungen voll aus - und geht teilweise darüber hinaus. Besonders kritisch sieht „Handicap International“ die geplanten neuen Zentren für sogenannte „Verfahren der Sekundärmigration“, in denen Geflüchtete ohne zeitliche Begrenzung wohnen und unter Umständen auch das Gelände nicht verlassen dürfen. Außerdem sollen Migrationshaft und Möglichkeiten zur Kürzung von Sozialleistungen stark ausgeweitet werden - mit besonders schweren Folgen für geflüchtete Menschen mit Behinderungen.
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