Es gibt dieses Hochzeitsfoto, das das strahlend glückliche Paar vor der katholischen Kirche im Hamburger Stadtteil Poppenbüttel zeigt: Er im Smoking, sie im strahlend weißen Brautkleid, und beide lachen um die Wette in die Kamera. Im Hintergrund steht der Vater der Braut, Steakhaus-Unternehmer Eugen Block, und blickt versonnen in den Himmel. Das musste Liebe sein.

Es war der 22. August 2005, und im Leben von Christina Block und Stephan Hensel dürfte sich dieser Tag so weit weg anfühlen wie die Kreide-Zeit. Die beiden Ex-Partner, Eltern von vier Kindern, sitzen sich an diesem Mittwoch im Saal 237 des Hamburger Landgerichts gegenüber.

Nebenkläger Hensel sagt am Mittwoch erneut als Zeuge aus, bezeichnet die Angeklagte als „Frau Block“ und berichtet von Überwachungen, ungebetenen Besuchern sowie Kontaktanfragen der Hamburger Familie oder Mitarbeitern von Sicherheitsunternehmen, die sich seinem Haus im dänischen Gråsten näherten.

Dort lebt er seit einigen Jahren, und das ist auch der Ort, aus dem die Kinder an einem August-Wochenende 2021 nicht zur Mutter zurückkehrten. Weil er sie dort festgehalten habe, wie Christina Block sagt. Oder weil sie partout nicht zu ihr zurückkehren hätten wollen, wie er behauptet.

Dieses Wochenende ist der Ausgangspunkt für einen Sorgerechtsstreit, der Gerichte beschäftigte, Zeitungsseiten füllte und schließlich zur Entführung der beiden jüngsten Kinder Theo und Klara am Neujahrsmorgen 2024 aus Dänemark nach Süddeutschland führte. In einem Bauernhof bei Pforzheim holte Christina Block die beiden ab und fuhr mit ihnen nach Hause. Die erzwungene Wiedervereinigung währte allerdings nur ein paar Tage: Dann entschied das Hanseatische Oberlandesgericht, dass die beiden Kinder wohl doch besser beim Vater leben sollten – und entzog der Mutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht, das sie noch im Oktober 2021 vom selben Gericht erstritten hatte.

Für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass die Mutter hinter der Entführung stecke und weitere Angeklagte, darunter ihr Partner Gerhard Delling, ihr dabei geholfen haben sollen. Sie wiederum bestreitet das – ebenso wie die übrigen Angeklagten angeben, nicht gewusst zu haben, was da vorgegangen sei.

Hensel beschreibt vor Gericht erneut die Neujahrsnacht 2024, in der fünf maskierte Männer in seinen Wohnort gekommen seien, ihn zu Boden gebracht hätten. Sie hätten seine Kinder in Autos gesteckt und seien Richtung Deutschland davongefahren. Er habe erhebliche Blessuren davon getragen und konsultiere regelmäßig Psychologen, um das Geschehen zu verarbeiten. Mehrmals habe er danach den Wohnort gewechselt.

Denn er fühle sich verfolgt, sagt Hensel: Ständig habe er Menschen ums Haus schleichen sehen – schon vor der Entführung. Kontaktversuche der Großeltern von Klara und Theo, die mit Geschenken nach Gråsten fuhren, habe er nicht zugelassen. Der Vater seiner Ex-Frau, Eugen Block, habe Briefe hinterlassen, in einem an Hensel adressierten habe gestanden: „Rache wird zu Dir kommen.“

Als eine Cousine von Christina Block bei ihm klingelte – die Frau sagte am Dienstag aus –, habe er auch sie abgewiesen. Aus Sorge oder Angst, wie Hensel sagt. Aus Grausamkeit, um der Familie Block zu schaden, wie die andere Seite behauptet.

Er sagt, sie sagt – so wird es Tag für Tag weitergehen in diesem Verfahren, in dem sich die Richter schließlich einer Seite zuneigen müssen.

Drei von vier Kindern stützen die Position des Vaters

Aber es gibt auch Fakten, immerhin. Es gibt die Warnung der dänischen Polizei, die Hensel im Februar 2024 darüber informierte, dass sein Leben in Gefahr sei. „Seitdem schaue ich jeden Jogger an, jede Menschengruppe, die sich mir nähert“, sagt Hensel.

Es gibt auch die durchgängigen Aussagen von Klara und Theo sowie der ältesten volljährigen Tochter Johanna, die Gewalt im mütterlichen Haushalt schilderten, dies als Grund für ihre Weigerung, bei ihr zu leben, anführten – und forderten, dass sich die Mutter „ändern“ müsse, damit sie zu ihr zurückkehrten. „Alle Kinder haben Gewalterfahrungen bei Frau Block erlebt“, sagt Hensel vor Gericht. Das sollen auch Gutachten belegen, die Psychologen in Dänemark erstellt haben. Gleichwohl lebt die zweitälteste Tochter Greta bei Christina Block, ohne diese Vorwürfe zu erheben. Wer hat recht?

Blocks Partner Delling fiel in der Vergangenheit dadurch auf, dass er in seinem Porsche in Gråsten auftauchte und relativ schnell von der Polizei angehalten wurde, weil das Kennzeichen bekannt war. Auch gab Delling selbst an, sich mit Bart und Mütze verkleidet eine familiengerichtliche Sitzung im Sorgerechtsstreit angesehen zu haben.

Einmal, berichtet Hensel, habe er eine Demonstration eines Väterrechtsverbandes gesehen, die zu seinem Haus gezogen sei; Männer hielten dabei Fotos von Theo und Klara hoch. Ein professionelles Kamerateam habe die Gruppe begleitet. War es eine echte Kundgebung? Oder ein Schauspiel, um Hensel unter Druck zu setzen?

Die Drohne jedenfalls die 2023 über seinem Haus schwirrte, hat er sich nicht eingebildet: „Die sind in Dänemark verboten. Wir haben die Drohne bis zum Hafen verfolgt, da verschwand sie in einem deutschen Mietwagen.“ Doch wer die Drohne steuerte, bleibt unklar.

Als Christina Block und Stephan Hensel heirateten, damals, in einem anderen Erdzeitalter, verrieten sie auch ihren Hochzeitsspruch. „Die Liebe freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit“, heißt es im 1. Korintherbrief. „Sie erträgt alles, hofft alles, hält allem stand.“

Vor Gericht lässt sich der Umkehrschluss besichtigen.

Chefreporter Per Hinrichs schreibt über Kriminalität, Justiz und weitere Gesellschaftsthemen.

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