Wegen Israels Vorgehen im Gazastreifen setzt die EU-Kommission ihre Unterstützung für das Land aus. Man werde alle entsprechenden Zahlungen stoppen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europaparlament in Straßburg.

Es solle allerdings keine Auswirkungen für die Arbeit mit der israelischen Zivilgesellschaft oder der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geben. Zudem kündigte sie an, den EU-Staaten Vorschläge für Sanktionen gegen extremistische Minister und gegen gewalttätige Siedler zu unterbreiten. Auch wolle man den Mitgliedstaaten empfehlen, in einem Partnerschaftsabkommen enthaltene Handelsvereinbarungen auszusetzen.

„Mir ist bewusst, dass es schwierig werden wird, Mehrheiten dafür zu finden“, sagte von der Leyen in ihrer ersten Rede zur Lage der EU in ihrer zweiten Amtszeit. Für manche Staaten gehe jede dieser Maßnahmen zu weit und für andere nicht weit genug. „Doch wir alle müssen unserer Verantwortung gerecht werden – Parlament, Rat und Kommission.“

Berlin will EU-Israel-Sanktionen nicht zustimmen

Mit Unverständnis reagiert Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) auf den angekündigten Stopp von Zahlungen an Israel. „Ich sehe das mit äußerster Skepsis, was hier offensichtlich in Brüssel entschieden worden ist“, antwortet er auf die Frage eines Journalisten. „Aus meiner Sicht gibt es keinen ausreichenden Grund, gegenüber Israel hier Gelder einzufrieden oder über die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zu beraten“, fügt er hinzu.

Für ihn sei immer klar: Deutschland sei „eindeutig Partei aufseiten Israels, wir sind nicht Vermittler“, betont der Innenminister. Das bedeute nicht, dass man nicht auch kritisch mit seinem Partner umgehen könne. Die jüngsten Entscheidungen aus Brüssel seien aus seiner Sicht aber nicht angebracht.

EU-Länder im Umgang mit Israel uneinig

Die EU ist im Umgang mit Israel tief gespalten. Andere Länder wie beispielsweise Spanien äußerten deutliches Unverständnis über die Ablehnung des Kommissionsvorschlages. Ob der Sanktionsvorschlag der EU-Kommission umgesetzt werden kann, hängt davon ab, ob er im Rat der Mitgliedstaaten die Unterstützung einer sogenannten qualifizierten Mehrheit bekommt.

Konkret müssten dafür 15 der 27 EU-Staaten zustimmen, die zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der teilnehmenden Mitgliedstaaten repräsentieren. Zuletzt fehlte lediglich noch die Unterstützung von Deutschland oder Italien. Alle anderen großen EU-Staaten und viele kleinere sind für die Strafmaßnahme.

Bisher auch wegen Deutschland keine Mehrheit für Maßnahmen

Der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Sebastian Hille, sagte: „Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es für diese vorgeschlagenen Maßnahmen bisher im Europäischen Rat bisher keine Mehrheit gab.“ Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts ergänzte, die Bundesregierung werde sich zu diesen Fragen aktuell nicht öffentlich äußern, sondern zunächst mit der Kommissionspräsidentin und im Rahmen der EU dazu Gespräche führen.

Die Kommission hatte Ende Juli vorgeschlagen, die Zusammenarbeit im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe einzustellen. Damit soll der Druck auf das Land erhöht werden, eine bessere humanitäre Versorgung der Menschen im abgeriegelten Gazastreifen zu ermöglichen, wo Israel die islamistische Hamas bekämpft. Israelischen Unternehmen könnten durch die Strafmaßnahme den Zugang zu Zuschüssen in Millionenhöhe verlieren. Zur Begründung heißt es, Israel verstoße mit seinem Vorgehen im Gazastreifen und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht. Damit werde ein wesentliches Prinzip der Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel im Rahmen des geltenden Assoziierungsabkommens verletzt.

Kritik an Angriff in Doha

Die Bundesregierung verurteile den israelischen Angriff in Katar, sagte Hille und verwies auf entsprechende Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und Außenminister Johann Wadephul (CDU). Bei einem israelischen Überraschungsangriff im Golfstaat Katar waren am Dienstag nach Hamas-Angaben sechs Menschen ums Leben gekommen, darunter der Sohn des ranghöchsten Hamas-Anführers im Ausland, Chalil al-Haja, sowie dessen Büroleiter. Katar bezeichnete den Angriff als „eklatanten Verstoß gegen alle internationalen Rechte und Normen“ und eine „ernsthafte Gefahr für die Sicherheit“ der Bevölkerung in Katar. Wadephul hatte am Dienstagabend gesagt: „Der Angriff Israels in Doha verletzt nicht nur die territoriale Souveränität Katars, sondern gefährdet auch unser aller Bemühungen zur Freilassung der Geiseln.“

Katar vermittelt zusammen mit Ägypten und den USA im Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas, der nach dem terroristischen Überfall der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 begonnen hatte. Die Verhandlungen um eine Waffenruhe kommen aber seit Monaten nicht voran.

Bilaterale Kooperation

Zum Umfang der Mittel, die eingefroren werden sollen, sagte von der Leyen zunächst nichts. Aus der EU fließen Kommissionsangaben zufolge unter anderem Mittel aus einem Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit nach Israel. Mit durchschnittlich 1,8 Millionen Euro pro Jahr will die EU demnach die Annäherung israelischer Normen und Standards in der öffentlichen Verwaltung an jene der EU unterstützen.

Auch israelische Organisationen der Zivilgesellschaft sind von der EU förderfähig. Im Jahr 2020 wurden nach Angaben der EU-Kommission etwa Projekte im Gesamtwert von 1,2 Millionen Euro finanziert.

Von der Leyen kündigte weiterhin an, im Oktober eine Gebergruppe für Palästina ins Leben zu rufen und dabei auch ein Instrument für den Wiederaufbau des Gazastreifens zu schaffen. „Dabei handelt es sich um internationale Bemühungen in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Region“, sagte sie.

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