Henning Höne, 38, ist seit Mai 2025 stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Er ist Chef seiner Partei in Nordrhein-Westfalen sowie ihrer Landtagsfraktion. Der studierte Betriebswirt ist nach dem Ausscheiden der Liberalen aus dem Bundestag einer der wenigen verbliebenen Berufspolitiker der Partei.
WELT: „Wer schon hatte, hat immer mehr“, sagte Unions-Fraktionschef Jens Spahn (CDU) jüngst in einer Talkshow und zeigte sich offen für eine Debatte über die Erbschaftsteuer. Wie ordnen Sie das ein, Herr Höne?
Henning Höne: Friedrich Merz hat im Wahlkampf immer behauptet: „Links ist vorbei.“ Offenbar stimmt das nicht. Der Kanzler blinkt rhetorisch rechts, biegt aber links ab – und sein Fraktionsvorsitzender folgt. Dass Vermögen ungleich verteilt ist, ist Realität, aber kein Problem. Problematisch ist vielmehr, dass der Staat Vermögensaufbau und sozialen Aufstieg so massiv erschwert. Wir müssen viel mehr dafür tun, dass mehr Menschen wohlhabender werden – und nicht überlegen, wie man denjenigen, die schon etwas haben, noch mehr wegnimmt.
WELT: Glauben Sie, Spahns Vorstoß ist in der CDU mehrheitsfähig? Sie hatten gerade einen Termin beim CDU-Wirtschaftsrat.
Höne: Beim Wirtschaftsrat weiß man noch, dass die meisten keine Bargeldkoffer vererben, sondern Immobilien oder Unternehmen. Allein die Wert-Feststellung ist übrigens ein bürokratischer Wahnsinn. Politik sollte stattdessen Aufstieg ermöglichen, nicht Neiddebatten anheizen. Weder Merz noch Spahn hätten so etwas vor der Wahl vertreten. Doch inzwischen erleben wir diese Abkehr von hergebrachten CDU-Positionen hin zu linken Narrativen immer wieder, etwa bei der Schuldenbremse. Merz vor und nach der Wahl – das sind zwei verschiedene Persönlichkeiten.
WELT: Politik lebt auch von Kompromissen – gerade in Koalitionen, wie Sie selbst wissen. Ist Spahns Haltung also vielleicht taktisch begründet, um mit der SPD Reformen an anderer Stelle zu erreichen?
Höne: Natürlich sind Kompromisse nötig. Aber aktuell sehe ich bei der CDU keine Kompromisse, sondern einseitiges Nachgeben. Sie stellt den Kanzler und ist die stärkere Kraft, verhält sich aber wie der Juniorpartner. Auch bei der Sozialstaatsreform: Da werden Kommissionen eingesetzt, der Kanzler trinkt einträchtig Bier mit der SPD-Chefin Bärbel Bas – aber Fortschritte sehe ich nicht. Spahns Vorstoß war keine Laune, sondern die rhetorische Vorbereitung eines politischen Einknickens.
WELT: Würde die FDP bei der Erbschaftsteuer alles lassen, wie es ist?
Höne: Nein. Die Erbschaftsteuer gehört abgeschafft, jedenfalls in direkter Linie innerhalb der Familie. Was gemeinsam erarbeitet und mehrfach versteuert wurde, sollte nicht noch einmal besteuert werden. Familie ist Kern der Gesellschaft, sie trägt das Aufstiegsversprechen: Den Kindern soll es einmal besser gehen. Stattdessen sollten wir Vermögensaufbau für alle erleichtern – durch niedrigere Grunderwerbsteuer, bessere Aktienkultur, einfacheres ETF-Sparen. Niemandem geht es besser, wenn man Erben etwas wegnimmt. Das ist ein Neidreflex, keine Lösung.
WELT: Passt ein leistungsloses Millionen-Erbe zum liberalen Kernthema Chancengerechtigkeit?
Höne: Klar. Wem geht es besser, wenn ich anderen etwas wegnehme? Heute diskutieren wir zu oft darüber, wie wir mehr Menschen stärker belasten können – wir sollten mehr darüber reden, wie mehr Menschen Vermögen aufbauen können. Es ist kein Problem, wenn Vermögen ungleich verteilt ist – wohl aber, wenn Chancen ungleich verteilt sind. Dagegen müssen wir vorgehen: Bildungserfolg darf nicht vom Elternhaus abhängen. Bauvorschriften müssen so entschlackt werden, dass Wohnen wieder bezahlbar ist. Der Staat blockiert Aufstieg an allen Ecken – und kommt dann mit Umverteilungsforderungen. Das macht Menschen abhängig vom Staat, anstatt sie freier zu machen.
WELT: Es scheint gerade niemand sonderlich an der Position der FDP interessiert zu sein. Bei der Kommunalwahl in NRW haben Sie erneut Verluste hinnehmen müssen. Woran liegt das? Und wie lange kann eine Partei Wahlergebnisse und Umfragen um die drei Prozent aushalten?
Höne: Unsere Aufgabe ist es, das Interesse an liberalen Antworten neu zu wecken. Viele Menschen haben mir im Wahlkampf gesagt: Eure Perspektive fehlt. Wir müssen den Mut haben, uns auch mal allein mit klaren Positionen auf die Lichtung zu stellen – mit allen Ecken und Kanten. Die FDP muss wieder zeigen, warum es sie im Bundestag braucht. Das gelingt nur über Inhalte und klare Alleinstellungsmerkmale.
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