Der Vizepräsident des Bundestags, Omid Nouripour (Grüne), hat die Drohung von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann scharf kritisiert, die Rundfunkbeiträge einzufrieren, weil der Norddeutsche Rundfunk (NDR) eine Moderatorin ausgetauscht hatte. Linnemanns Äußerungen seien „indiskutabel“, schrieb Nouripour in einem Gastbeitrag für den Berliner „Tagesspiegel“. „Man kann diesen Austausch klug finden oder falsch, aber es ist das Ergebnis einer intensiven Debatte innerhalb einer Redaktion – und keine der Politik“, schrieb Nouripour über die NDR-Entscheidung, der Journalistin Julia Ruhs die Moderation des Formats „Klar“ zu entziehen. Der Fall hatte bundesweit für Kritik gesorgt.
Ruhs hatte die Pilotfolgen des Formats „Klar“ moderiert – produziert von NDR und BR. Nach der Auftaktsendung zum Thema Migration war heftige Kritik von Kollegen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk an dem Format laut geworden.
CDU-Generalsekretär Linnemann hatte in einem Interview mit WELT TV die Entscheidung im Fall Ruhs scharf kritisiert. „Das ist ein neuer Tiefpunkt in Sachen Debattenkultur in Deutschland“, sagte er. Er forderte, den Rundfunkbeitrag auf dem aktuellen Niveau einzufrieren, um so Druck für Reformen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk aufzubauen.
Die Kritik von Linnemann verurteilte Nouripour entschieden: „Wenn eine Regierungspartei dermaßen Druck macht, kommt das einem Zensurversuch gleich.“ Damit würde die CSU nicht anders handeln als der Chefs der US-Lizenzierungsbehörde, der dem Sender von US-Moderator Jimmy Kimmel damit gedroht hatte, die Lizenz zu entziehen. „Das nennt man Zensur“, schrieb Nouripour.
Nouripour: „Hierzulande rutscht der Anstand weg“
Der Bundestagsvizepräsident kritisierte auch Wolfram Weimer, Kulturstaatsminister der Bundesregierung, dass er die Äußerung nicht kritisiert habe. „Jeder Versuch von Zensur muss jeden Demokraten besorgen“, so Nouripour. Und weiter: „Politische Einflussnahme auf die freie Presse darf es in einer Demokratie nicht geben. Wieso schreitet der für Medien zuständige Kulturstaatsminister nicht ein, wenn der Generalsekretär einer Regierungspartei der freien Presse öffentlich mit dem Entzug derer Existenz droht?“
Insgesamt äußerte sich Nouripour besorgt über den Zustand von Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland und in den USA. „In den Vereinigten Staaten von Amerika droht die demokratische Ordnung, wie wir sie seit der Nachkriegszeit kennen, zu kippen. Doch auch hierzulande rutscht der Anstand weg“, schrieb Nouripour.
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