Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) will die Lücke in den Bundeshaushalten 2027 bis 2029 mit einer Erhöhung der Erbschaftssteuer und schließen. „Ich bin davon überzeugt, wir brauchen ein gerechtes Gesamtpaket, zu dem alle ihren Beitrag leisten. Wenn die, die ganz viel Geld haben, wenig oder nichts beitragen, verstößt das gegen das Gerechtigkeitsempfinden in unserer Gesellschaft“, sagte Klingbeil dem „Tagesspiegel“. „Wir vererben jedes Jahr in Deutschland zwischen 300 und 400 Milliarden. Menschen, die viele Millionen erben, zahlen oft so gut wie keine Erbschaftssteuer.“ Das sei „unfair“, sagte der SPD-Vorsitzende.
Es gebe „große Millionen-Erbschaften“, und die Welt gehe nicht unter, „wenn man die ein bisschen stärker heranzieht“, sagte Klingbeil. Er habe einst gelernt, dass man mit Anstrengung im Leben vorankomme. In Berlin hingegen könne man „der Beste in der Schule gewesen sein, der Beste im Studium, der Fleißigste auf der Arbeit: Du wirst dir keine Eigentumswohnung in Berlin leisten können.“ Er fügte hinzu: „Aber du kannst der Schlechteste in der Schule, der Schlechteste im Studium und der Faulste im Job sein. Wenn du geerbt hast, kaufst du dir eine Wohnung in Berlin. Das untergräbt doch das Leistungsprinzip in unserem Land und das will ich wieder ändern.“
Beim Sozialstaat gebe es „Korrekturbedarf“, sagte der Finanzminister: „Es ist nicht in Ordnung, wenn jemand Geld vom Staat bekommt und schwarzarbeitet. Das ist Betrug an der Allgemeinheit“. Er könne fleißigen Leuten „nicht erklären, warum andere, die sich zurücklehnen, Geld vom Staat bekommen“. Die schwarz-rote Bundesregierung sei sich „völlig einig“, dass sie „den Druck erhöhen“ werde: „Menschen, die Bürgergeld bekommen, aber sich komplett verweigern oder schwarzarbeiten, sollen die Konsequenzen spüren.“ Für seine Partei gelte: „Die SPD war immer stark, wenn sie für Veränderung, für Reformen, auch für den Aufbruch in diesem Land gestritten hat.“
Vizekanzler spricht über „brutales Jahr“ nach Bruch der Ampel
Im Interview mit dem „Tagesspiegel“ führt Klingbeil weiter aus, er sei in den vergangenen Monaten an die Grenze seiner Belastbarkeit gekommen. „In den letzten Monaten gab es auch mal Momente, in denen ich am Limit war“. Und weiter: „Es war ein brutales Jahr. Der Bruch der Ampel, vorgezogene Neuwahlen, dann ein katastrophales Ergebnis für die SPD. Koalitionsverhandlungen, das Mitgliedervotum und dann der SPD-Bundesparteitag.“
Als er in die Politik gegangen sei, habe Deutschland monatelang „über zehn Euro Praxisgebühr gestritten“, sagte Klingbeil: „Heute hast du an einem Tag Trump und Putin, dann zieht Frau Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur zur Verfassungsrichterin zurück und der Kanzler entscheidet, keine Waffen an Israel zu liefern. Das ist eine enorme Taktung.“
Die Erinnerung an eine vor zehn Jahren überstandene „schwere Krebserkrankung“ helfe ihm heute, „ruhig und gelassen zu bleiben“, sagte Klingbeil: „Alles, was ich heute erlebe, ist ein Privileg und eine Art Verlängerung. Aber ich brauche Sport, Auszeiten, meine Musik, meine Familie, um den Job gut machen zu können.“
Klingbeil bezog in dem Gespräch auch Stellung zu Äußerungen von Kanzler Friedrich Merz (CDU), der den SPD-Chef als „sensibel“ bezeichnet und die Unions-Abgeordneten deshalb zu Rücksicht aufgefordert hatte. „Ich finde nicht schlimm, wenn Männer sensibel sind“, sagte Klingbeil: „Als ich das letzte Mal in Kiew war, stand ich mit dem Bürgermeister Vitali Klitschko vor einem zerbombten Haus. Als er mir erzählte, dass hier eine Familie von russischen Raketen getötet wurde, die gerade erst aus der Ostukraine nach Kiew geflohen war, schossen mir die Tränen in die Augen.“
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