- Die Bundesregierung plant den Bau neuer Gaskraftwerke mit bis 20 Gigawatt Leistung, stößt jedoch auf Widerstand der EU-Kommission.
- Politiker von SPD und Union erklären, dass durch Nutzung anderer Technologien und Instrumenten der Bedarf an neuen Gaskraftwerken reduziert werden könnte.
- 20 Gigawatt zusätzlicher Leistung würde je nach Kraftwerksgröße dem Bau von Dutzenden neuen Kraftwerken entsprechen.
Deutschland setzt auf erneuerbare Energien. Um aber die Energieversorgung jederzeit sicherzustellen, will die Bundesregierung neue Gaskraftwerke mit einer Kapazität von bis zu 20 Gigawatt bauen. Doch dieser Zubau droht an der EU-Wettbewerbsaufsicht zu scheitern. Der "Spiegel" berichtet, Brüssel wolle nur neue Kapazitäten von bis zu 12,5 Gigawatt erlauben. Die Genehmigung ist notwendig, weil Deutschland den Betrieb der Kraftwerke mit hohen Subventionen fördern muss. Sonst wären die Anlagen unwirtschaftlich.
Die Regierungsfraktionen sehen mögliche Einschränkungen aus Brüssel gelassen. Die energiepolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Nina Scheer, sagte MDR AKTUELL am Montagmorgen, es sei momentan noch nicht sicher, wie viel Ausbau am Ende genehmigt würde. Überdies könnten vorhandene Technologien genutzt werden, um den Bedarf nach Energie aus Erdgas zu verringern. Scheer nannte etwa Windkraft- und Photovoltaikanlagen, die über Speicher besser genutzt werden könnten. Zudem könne die Energienachfrage durch Anreize gesteuert werden. "Diese Möglichkeiten, wenn wir die alle besser nutzen würden, wenn wir das besser ausschöpfen würden, dann bräuchte man deutlich weniger zusätzlich zuzuschaltende Gaskraftwerke", sagte die Sozialdemokratin.
Der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Andreas Lenz, verwies ebenfalls auf die noch laufenden Verhandlungen mit der EU sowie alternative Möglichkeiten. Es brauche zwar neue Kraftwerke, aber man könne auch auf Biogasanlagen, Wasserkraft oder Kraft-Wärme-Kopplung zurückgreifen. Am Ende brauche es so viele neue Kapazitäten, wie für die Versorgungssicherheit nötig seien. Der CSU-Politiker sagte: "Das ist im Moment auch ein Aushandlungsprozess, der mit der EU-Kommission stattfindet."
Union sieht Mitteldeutschland als Standort für neue Kraftwerke
Lenz äußerte sich im Gespräch bei MDR AKTUELL auch zu möglichen Standorten neuer Gaskraftwerke. Diese müssten dort entstehen, wo andere Kapazitäten aus dem Markt gefallen seien, etwa bei Kohle oder Atomenergie. Ein weiteres Kriterium sei die Netzstabilität für das gesamte Land. Auf die Frage, was das für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bedeute, sagte Lenz, es ergäben sich aus den Kriterien heraus "schon Gebietskulissen, die in Frage kommen". Und weiter: "Die liegen sowohl im Osten als auch im Süden der Republik. Und insofern sehe ich eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass eben auch dort neue Kraftwerke entstehen werden."
Das Wirtschaftsministerium bestätigte die Zahl von 12,5 Gigawatt auf Anfrage nicht, verwies laut "Spiegel" aber darauf, dass Reiche im August gesagt habe, dass "bislang signifikant mehr als die Hälfte" von 20 Gigawatt in Brüssel ausverhandelt worden seien. Zur Einordnung: Die Leistung aller Kraftwerke in Deutschland am Strommarkt lag laut Bundesnetzagentur im Mai dieses Jahres bei rund 252 Gigawatt. Aus Erdgas kamen gut 30 Gigawatt Leistung. Moderne, mittelgroße Gaskraftwerke haben eine Leistung von 400 bis 800 Megawatt. Zusätzliche 20 Gigawatt Leistung würden folglich 25 bis 50 neue Kraftwerke dieser Dimension bedeuten.
Zeitplan in Gefahr
Die EU-Kommission wollte sich zu dem "laufenden Prozess" ebenfalls nicht äußern. "Wir unterstützen Deutschland bei der Entwicklung von Ideen und der Gestaltung von Maßnahmen, die mit den EU-Vorschriften übereinstimmen, Wettbewerbsverzerrungen und Handelsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten vermeiden und den besten Nutzen für die Verbraucher bieten", erklärte ein Sprecher.
Dem "Spiegel"-Bericht zufolge ist der Zeitplan für die Ausschreibungen für die neuen Gaskraftwerke kaum noch zu halten. In diesem Jahr werde es wohl nicht mehr dazu kommen.
AFP/MDR (ala)
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