Eine neue Auswertung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, dass viele Menschen in Deutschland den Sozialstaat grundsätzlich befürworten, seine Kosten aber kritisch sehen. In einer Befragung von mehr als 5000 Erwerbstätigen und Leistungsbeziehern gaben rund zwei Drittel an, Sozialleistungen erfüllten ihren Zweck. Zugleich bezeichneten ähnlich viele die Kosten der sozialen Sicherung als zu hohe Belastung für Gesellschaft und Unternehmen.

Die Ergebnisse stammen aus der IAB-Online-Befragung „Arbeiten und Leben in Deutschland“, die im Frühjahr 2025 durchgeführt wurde. Laut den Forschern lassen sich die Befragten dabei nicht einfach in „Befürworter“ und „Kritiker“ des Sozialstaats einteilen: Rund 40 Prozent sehen sowohl Nutzen als auch hohe Kosten – sie unterstützen den Sozialstaat grundsätzlich, betrachten seine Finanzierung aber mit Skepsis.

Menschen mit niedrigen Einkommen besonders kritisch

Deutlich wird auch, dass Einstellungen zum Sozialstaat stark mit Einkommen und Lebenssituation zusammenhängen. Menschen mit niedrigen Einkommen äußern sich besonders kritisch: Fast zwei Drittel der Befragten im unteren Einkommensviertel stimmen der Aussage zu, Sozialleistungen machten „faul“. Bei den Besserverdienenden und reinen Leistungsbeziehern ist die Zustimmung deutlich geringer.

Unabhängig von der Einkommenslage findet das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit breite Unterstützung: Erwerbstätige wie Leistungsbezieher sind mehrheitlich der Ansicht, dass höhere Leistung auch zu höherem Einkommen führen sollte. Die Zustimmung zur Bedarfsgerechtigkeit, also der Orientierung von Leistungen am individuellen Bedarf, fällt hingegen geringer aus.

Die Ergebnisse gewinnen besondere Relevanz vor dem Hintergrund der geplanten Reform der sozialen Sicherung. Die Bundesregierung beabsichtigt, das Bürgergeld umzugestalten und dabei Arbeitsanreize zu verstärken sowie Leistungskürzungen bei Pflichtverstößen wieder stärker anzuwenden. Laut IAB-Studienautor Jens Stegmaier erleben vor allem Geringverdiener das Spannungsfeld zwischen Arbeit und Absicherung „besonders deutlich“ – und legen daher großen Wert auf Leistungsgerechtigkeit.

Das IAB hat die Daten zwischen dem 12. April und dem 11. Mai 2025 erhoben. Dazu wurden die Antworten von 5012 erwerbstätigen Personen in Voll- und Teilzeit sowie Personen im Leistungsbezug zwischen 18 und 65 Jahren einbezogen. Das Institut betont, dass die Befragung keine repräsentative Erhebung der Gesamtbevölkerung darstellt. Die Ergebnisse geben jedoch einen breiten Einblick in aktuelle Einstellungen von Beschäftigten und Leistungsbeziehenden zu Fragen von sozialer Gerechtigkeit und Reformakzeptanz.

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