Einem Asylbewerber, der nicht fristgerecht in das eigentlich zuständige EU-Land überstellt werden konnte, können nicht einfach Asylbewerberleistungen gekürzt werden. Diese Auffassung vertrat der zuständige EuGH-Generalanwalt Richard de la Tour in seinen am Donnerstag in Luxemburg vorgelegten Schlussanträgen zu einem Fall aus Deutschland.

Hierbei geht es um einen Afghanen, der im August 2021, vor seiner Einreise nach Deutschland, bereits in Rumänien einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Laut Dublin-Abkommen ist grundsätzlich das Land zuständig, in das der Asylsuchende zuerst einreiste. Rumänien erklärte sich auch bereit, den Afghanen zurückzunehmen, setzte dies dann aber wegen des Ukraine-Kriegs aus.

Der bayerische Landkreis Schweinfurt entzog dem Mann Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an Kleidung und Haushaltsgütern sowie für weitere persönliche Ausgaben etwa für Fahrkarten und Handy. Eine Klage dagegen ging durch mehrere Instanzen bis vor das Bundessozialgericht in Kassel, welches das Verfahren aussetzte und dem EuGH die Frage vorlegte, ob der Landkreis Schweinfurt während der Überstellungsfrist die Leistungen auf Sachleistungen für Ernährung, Unterkunft und Heizung, Körper- und Gesundheitspflege sowie Krankenhilfe begrenzen durfte.

Generalanwalt: EU zu Gewährleistung angemessenen Lebensstandards verpflichtet

EuGH-Generalanwalt de la Tour legte nun dar, dass die in der EU-Aufnahmerichtlinie von 2013 vorgesehene Verpflichtung zur Gewährleistung eines angemessenen Lebensstandards „es einem Mitgliedstaat verbietet, einem Antragsteller die Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an Kleidung sowie Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts vorzuenthalten“. Dies gelte bis zur tatsächlichen Überstellung in den zuständigen EU-Mitgliedsstaat.

Die der Entscheidung zugrunde liegende nationale Regelung sei „umso problematischer, als sie auf einem automatischen Entzug dieser Leistungen beruht“, erklärte der Generalanwalt. So habe es keine Einzelfallprüfung zu den Folgen des Leistungsentzugs für den Afghanen gegeben.

Die Schlussanträge sind noch keine Entscheidung. Die Richter sind nicht daran gebunden, orientieren sich aber oft daran. Die EU-Aufnahmerichtlinie legt Mindeststandards für die Aufnahme von Menschen fest, die internationalen Schutz beantragen. Sie regelt unter anderem die medizinische Versorgung, Unterbringung, Bildung und Beschäftigung von Asylbewerbern.

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