Nach der „Stadtbild“-Äußerung von Bundeskanzler Friedrich Merz zur Migrationspolitik und der scharfen Replik von SPD-Chef Lars Klingbeil schlagen CDU und FDP mit deutlichen Worten zurück. Der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki reagierte auf Klingbeil mit scharfer Kritik. Auf X schrieb er: „Ein Vizekanzler, der auf einem Kanal seines Ministeriums dem Bundeskanzler implizit eine rassistische Motivation unterstellt, wäre mehr als ein guter Grund, diesen Vizekanzler achtkantig aus der Regierung zu werfen. Vielleicht erklärt Lars Klingbeil mal zur Abwechslung, was er meint.“
SPD-Chef Lars Klingbeil nahm die Merz’ „Stadtbild“-Äußerung bei einem Gewerkschaftskongress in Hannover auf und sagte: „Ich möchte in einem Land leben, in dem Politik Brücken baut und Gesellschaft zusammenführt, statt mit Sprache zu spalten.“ Und weiter: „Ich möchte in einem Land leben, bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht.“
Klingbeil warnte, man müsse in der Politik „höllisch aufpassen, welche Diskussion wir anstoßen, wenn wir auf einmal wieder in ‚wir‘ und ‚die‘ unterteilen, in Menschen mit Migrationsgeschichte und ohne“. Bei einem Bürgergespräch in Potsdam ergänzte er, es dürfe nicht passieren, „dass wir an dieser Stelle Menschen verlieren, die dazugehören“.
CDU-Politiker: „Lust am Missverstehen“
Neben der FDP kamen auch aus der CDU Reaktionen. Der Bundestagsabgeordnete Sebastian Steineke schrieb auf X: „Die SPD sollte auch mit Klingbeil und Klüssendorf wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Es ist völlig klar, was Merz gemeint hat, und die Lust am Missverstehen ändert nichts daran, dass die Mehrheit der Bevölkerung es genauso sieht.“
Für Karl-Theodor zu Guttenberg zeigt die Debatte vor allem, wie stark sich politische Auseinandersetzungen inzwischen in Empörungsschleifen bewegen. Im Podcast „Ronzheimer“ von „Bild“-Reporter Paul Ronzheimer sagte der ehemalige Verteidigungsminister: „Es ist jetzt nicht ganz neu, dass gewisse Parteien und Parteichefs dann immer mal wieder auch ihre Echo-Kammern bedienen müssen. (…) Ich würde sehr dazu anraten, mal in dieser Empörungs- und Aufregungskurve ein Stück abzurüsten. Und das gilt für alle Koalitionspartner.“
Guttenberg betonte, dass er Merz’ Wortwahl selbst „wahrscheinlich jetzt nicht getroffen“ hätte, sie aber auch nicht überbewerten wolle. „Das war jetzt ja auch nicht etwas, was lange, lange vorbereitet aus dem Mund des Kanzlers offensichtlich kam“, sagte er. „Und das Erste, was wir machen, wenn irgendwo ein Satz fällt, ist einfach uns sofort reflexartig zu empören.“
Es brauche wieder mehr Gelassenheit in der politischen Debatte, so Guttenberg weiter: „Die sollen sich morgen wieder zusammensetzen und verdammt nochmal zusammenarbeiten. Das ist das, was das Land nötiger hat, als jetzt irgendwelche Debatten über semantische Verrenkungen.“
Ausgangspunkt für die Debatte war eine Aussage des Kanzlers zur Migrationspolitik in der vergangenen Woche in Potsdam. Man korrigiere frühere Versäumnisse und mache Fortschritte, sagte er dort. „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“
Die Frage, wie er die Aussage gemeint habe, beantwortete er Anfang dieser Woche auf einer Pressekonferenz mit den Worten: „Fragen Sie mal Ihre Töchter.“ Die würden eine klare Antwort geben.
Am Mittwoch erklärte Merz am Rande eines Gipfeltreffens in London: Schon heute seien Menschen mit Migrationshintergrund „unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes“. Probleme würden aber diejenigen Migranten machen, die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus hätten, die nicht arbeiteten und die sich auch nicht an die in Deutschland geltenden Regeln hielten. „Viele von diesen bestimmen auch das öffentliche Bild in unseren Städten. Deshalb haben mittlerweile so viele Menschen in Deutschland und in anderen Ländern der Europäischen Union – das gilt nicht nur für Deutschland – einfach Angst, sich im öffentlichen Raum zu bewegen“, sagte der Kanzler.
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