Im August war die georgische Journalistin Msia Amaghlobeli zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Festgenommen hatte man sie bereits im Januar, warf ihr „Angriffe auf einen Polizisten“ vor. Zahlreiche internationale Organisationen, darunter auch Reporter ohne Grenzen, bezeichneten Amaghlobelis Verhaftung als willkürlich und ungerecht, das Verfahren als „voreingenommen und von Unregelmäßigkeiten geprägt“.

Später wurde bekannt, dass der Polizist die Journalistin beleidigt hatte – die Ohrfeige, die die 50-Jährige ihm verpasste, war eine unmittelbare Reaktion darauf. Nach Einschätzung mehrerer Juristen ist die Anklage gegen sie rechtlich absurd, da der Vorwurf ein deutlich milderes Vergehen betrifft, als es das Strafmaß vermuten lässt. Entsprechend liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei der Verurteilung um eine politisch motivierte Vergeltungsaktion handelt.

Für ihren mutigen Einsatz für Demokratie und Freiheit wurde Msia Amaghlobeli am 22. Oktober mit dem Sacharow-Preis ausgezeichnet. Er wird vom EU-Parlament an Personen verliehen, die sich für Meinungsfreiheit und Menschenrechte einsetzen. „Nach der heutigen Entscheidung der Präsidentenkonferenz ist es mir eine Ehre, bekannt zu geben, dass der Sacharow-Preis für geistige Freiheit 2025 an Andrzej Poczobut aus Belarus und Msia Amaghlobeli aus Georgien verliehen wird“, erklärte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola während der Plenarsitzung in Straßburg.

Poczobut ist Journalist und Blogger, entstammt der polnischen Minderheit in Belarus und gilt als Kritiker von Machthaber Alexander Lukaschenko. Er sitzt bereits seit 2021 in Haft.

„Dieser Preis wird für mich nur dann wirklich bedeutend sein, wenn ihn all jene als ihren eigenen betrachten, die Teil dieses Kampfes sind – meine mutigen Kolleginnen und Kollegen, die Gewissensgefangenen, jede Bürgerin und jeder Bürger in Georgien, die für Freiheit den Preis zahlen und gegen Ungerechtigkeit protestieren“, schrieb Msia Amaghlobeli, die seit nunmehr zehn Monaten in Georgien im Gefängnis sitzt.

Das Verbrechen: die Verbreitung europäischer Werte

Journalistin Manana Qveliashvili, eine Kollegin von Msia Amaghlobeli, ist überzeugt, dass die Preisträgerin wegen ihres Einsatzes für demokratische und westliche Werte festgenommen wurde. Werte, die die Regierungspartei „Georgischer Traum“ in den letzten Jahren immer schärfer bekämpft. „Msia Amaghlobeli sitzt im Gefängnis, weil sie Mitbegründerin kritischer Medien ist. Sie sitzt im Gefängnis, weil sie für Meinungsfreiheit, für demokratische und liberale Werte steht. Sie sitzt im Gefängnis, weil sie an eine europäische Zukunft für Georgien glaubt“, sagt Qveliashvili.

Für demokratische Werte und die europäische Integration Georgiens setzte sich Amaghlobeli in vielerlei Hinsicht ein. Sie gründete mit „Batumelebi“ und „Netgazeti“ nicht nur zwei unabhängige Medien, sondern auch eine Journalistenschule. Dort vermittelte sie jungen Menschen nicht nur journalistisches Handwerk, sondern brachte ihnen auch jene westlichen und demokratischen Werte nahe, für die sie bis heute kämpft.

Auch im Gespräch mit dem britischen „Guardian“ betonte Amaghlobeli die Bedeutung Europas und seiner Errungenschaften: „Aus meiner Zelle sehe ich klarer denn je, dass Europa mehr ist als Geografie – es steht für Werte: Würde, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität. Und in Georgien kämpfen wir für diese Werte mit allem, was wir haben – mit unseren Stiften, unseren Stimmen und unseren Körpern auf der Straße.“

Viele ihrer journalistischen Projekte wurden mit Unterstützung westlicher und europäischer Organisationen umgesetzt, unter anderem durch Förderungen der USAID, der Open Society Foundation und anderer internationaler Partner.

Kritische Medien unter Druck

Laut Manana Qveliashvili ist die Frage der Medienfinanzierung inzwischen ein äußerst schwieriges Thema in Georgien. Sie berichtet, dass viele Redaktionen nur noch dank des persönlichen Engagements ihrer Mitarbeitenden weiterarbeiten. „Wir haben keine Fördermittel mehr, weil dies nach den neuen Gesetzen gleichbedeutend damit ist, als ‚Agent‘ oder ‚Verräter‘ abgestempelt zu werden“, sagt die Journalistin. Viele ihrer Kollegen hätten ihre Arbeit aufgegeben, weil sie gezwungen gewesen seien, sich andere Einkommensquellen zu suchen.

Seit der Verabschiedung des sogenannten „Agentengesetzes“ im Jahr 2024 sowie weiterer Gesetze, die die Meinungs-, Versammlungs- und Medienfreiheit einschränken, arbeiten Journalisten in Georgien unter immer repressiveren Bedingungen. Unabhängige Medien, die aus dem Ausland finanziert werden, stehen unter Druck, werden stigmatisiert und riskieren juristische Verfolgung. Viele müssen ihre Arbeit stark einschränken oder ganz einstellen.

Laut Reporter ohne Grenzen hat sich die Situation drastisch verschlechtert. Im Pressefreiheitsindex 2025 belegt Georgien nur noch Platz 114 von 180 Ländern, elf Ränge schlechter als im Vorjahr. Ein Wert, der das Land auf das Niveau halbautoritärer Staaten rückt und seine demokratische Entwicklung ernsthaft infrage stellt.

Gibt es noch Hoffnung?

Journalistin Manana Qveliashvili hat keine konkrete Antwort darauf, welche Hoffnungen und Erwartungen kritische Medien und Journalisten in Georgien derzeit noch haben. Doch sie glaubt, dass sich seit der Verhaftung von Msia Amaghlobeli alles verändert hat, und will sich selbst nicht erlauben, den Mut zu verlieren. „Egal, wie schwer der Weg auch ist, am Ende siegt immer das Gute über das Böse“, sagt die Journalistin.

Auch Msia Amaghlobeli denkt nicht daran, aufzugeben. Bei den Gerichtsverhandlungen weigert sie sich, auf der Anklagebank Platz zu nehmen, mit der Begründung, sie betrachte sich nicht als schuldig. Während der Sitzungen stand sie teils bis zu fünf Stunden lang, obwohl sich ihr Gesundheitszustand seit der Festnahme erheblich verschlechtert hat, was auf einen 38-tägigen Hungerstreik unmittelbar nach der Inhaftierung zurückzuführen ist. Hinzu kommen schwere Sehprobleme. Auf einem Auge ist Amaghlobeli vollständig erblindet, auf dem anderen beträgt ihre Sehkraft nur noch rund zehn Prozent.

Die Journalistin ist zurückhaltend, spricht ungern über sich selbst. Bis zu ihrer Verhaftung existierten in den Medien kaum Fotos von ihr. Obwohl sie seit Jahren als engagierte Journalistin tätig ist, wussten nur jene etwas über sie, die persönlich mit ihr gearbeitet hatten. Still, geduldig und entschlossen habe sie ihre Arbeit verrichtet, sagen Kolleginnen und Kollegen. Jeder ihrer Briefe, die sie aus dem Gefängnis veröffentlicht, ist der Freiheit und der Idee der Freiheit gewidmet.

Der Prozess gegen Msia Amaghlobeli wird derzeit vor dem Berufungsgericht in Tiflis fortgesetzt – in der Hoffnung, dass sie ihre Unschuld beweisen kann, von der sie fest überzeugt ist.

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