In der anhaltenden Debatte über mehr Sicherheit im öffentlichen Raum fordert die SPD ein Spitzentreffen im Kanzleramt. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetovic, der mit neun weiteren Abgeordneten einen Acht-Punkte-Plan zur „Stadtbild“-Debatte verfasst hat, sagte der „Bild“: „Ich erwarte, dass der Kanzler Vertreter von Großstädten, kommunalen Verbänden und den Fraktionen zu einem Stadtbild-Gipfel an einen Tisch holt, wie beim Stahl- oder Automobil-Gipfel.“ Die Union sieht dafür keine Notwendigkeit.
Die Gruppe der SPD-Abgeordneten hatte in ihrem Plan „für ein soziales, sicheres und solidarisches Stadtbild“ geschrieben: „Schwierigkeiten im Stadtbild haben vielfältige Ursachen: soziale Missstände, Wohnungsnot, Verwahrlosung öffentlicher Räume, fehlende soziale Infrastruktur und unzureichende Prävention.“ Wer die Debatte auf Asyl, Flucht und Migration verenge, verhindere Lösungen.
Die Autoren schlugen vor, dass sich die Koalition bis Jahresende auf ein gemeinsames Verständnis des „Stadtbilds“ verständigt. „Ob im Koalitionsausschuss oder einer Arbeitsgruppe – es braucht jetzt Klarheit in dieser Debatte. Für alle Menschen in unseren Städten“, heißt es in dem Papier.
Die Union jedoch lehnt einen Gipfel ab. „Der Bundeskanzler hat die Problemlage klar benannt, eine weitere Erörterung ist nicht nötig“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Steffen Bilger der „Bild“. „Die breite Mehrheit der Bevölkerung sowie viele SPD-Ministerpräsidenten, Landräte und Bürgermeister teilen bereits ein sehr gutes Verständnis dessen, wovon der Bundeskanzler gesprochen hat“, betonte der CDU-Politiker. Die Union stehe aber für Gespräche mit der SPD über eine noch konsequentere Innenpolitik jederzeit bereit.
Demo-Teilnahme löst scharfe Kritik aus
Die „Stadtbild“-Debatte gewann am Wochenende erneut an Fahrt. SPD-Fraktionsvize Wiebke Esdar hatte am Freitagabend an einer Kundgebung gegen die Merz-Aussagen teilgenommen. Das sorgte für scharfe Kritik in der Koalition.
Unionsfraktionschef Jens Spahn sagte (CDU) in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“: „Opposition in der Regierung – das hat noch nie funktioniert.“ Bilger kritisierte im „Tagesspiegel“: „Wer als SPD-Führungskraft gegen den Bundeskanzler der gemeinsamen Koalition demonstriert, trägt leichtfertig dazu bei, dass die Menschen uns weniger zutrauen, gut zu regieren.“
Banaszak springt Merz bei
Unterstützung bekommt Merz indes von Felix Banaszak. Der Grünen-Chef warnte am Wochenende davor, die Augen vor den existierenden Problemen zu verschließen. Es müsse anerkannt werden, dass Merz mit seinen Äußerungen zu den Folgen von Migration „eine breit getragene Wahrnehmung anspricht, mit der sich progressive Kräfte beschäftigen müssen“, schrieb Banaszak in einem Beitrag, aus dem die Funke-Mediengruppe zitierte. „Es gibt sie, die Angsträume in unserem Land“, schrieb der Grünen-Chef.
„Es gibt die an Kleinstadtbahnhöfen herumlungernden Faschos und sturzbesoffen grölende Fußballfans in Zügen“, schrieb Banaszak. „Und es gibt kriminelle Gruppen auch aus migrantischen Familien, die am Freitagabend Leute abziehen oder Frauen belästigen.“ Gerade die progressiven Kräfte seien gefordert, dies nicht mehr einfach zu ignorieren.
„Warum fällt es uns schwer, diese Wahrnehmungen als tiefes Gefühl von Verunsicherung, als Vertrauens- und Kontrollverlust zu verstehen, der schon längst in unseren Alltag eingegriffen hat?“, fragte Banaszak. „Progressive Kräfte, die notwendige und berechtigte Kritik an rassistischen Aussagen und Strukturen formulieren, dürfen nicht den Eindruck erwecken, diesen Teil des Lebens auszublenden, denn es gibt ihn.“
Zwar müssten die „Stadtbild“-Aussagen des Bundeskanzlers „in ihrer ressentimentgeladenen Pauschalität zurückgewiesen werden“, schrieb Banaszak. Es gelte aber auch: „Wir müssen über diese Themen sprechen – ehrlich und unmissverständlich.“
Der Grünen-Chef rief dazu auf, das gesamte Bild zu sehen: „Es gibt Femizide, die von weißen Tätern an ihren Ehefrauen und Ex-Freundinnen begangen werden, und es gibt Frauenmorde muslimischer Männer an ihren Frauen, Schwestern und Töchtern im Namen der Ehre. Es gibt Jugendzentren in der Sächsischen Schweiz, in denen man als Trans-Mann von anderen Jugendlichen ausgegrenzt wird. Und es gibt Schulen in Berlin-Moabit, in denen ein schwuler Lehrer von Kindern in die Psychotherapie gemobbt wird, die ihr Verhalten damit begründen, der Islam sei hier Chef.“
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