In der schwarz-roten Koalition deutet sich der nächste Streit an. Die Pläne für ein SPD-Mitgliederbegehren gegen die Bürgergeldreform der Bundesregierung stoßen in der Union auf Unverständnis. Die Reform sei „gemeinsam im Koalitionsvertrag vereinbart“ worden, sagte der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger (CDU), am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. „Wir erwarten von der SPD, dass sie sich auch daran hält.“

Zuvor war bekannt geworden, dass Teile der SPD versuchen, mit einem Mitgliederbegehren die Pläne der schwarz-roten Bundesregierung zur Reform des Bürgergeldes zu stoppen. Wie der „Spiegel“ am Dienstag berichtet, wurde das Begehren bislang unter anderem von Juso-Chef Philipp Türmer, der SPD-Europaabgeordneten Maria Noichl sowie Aziz Bozkurt, dem Vorsitzenden der AG Migration und Vielfalt in der SPD, unterzeichnet.

„Die Bürgergeld-Reform war längst überfällig“, so Bilger weiter. „Wir müssen wieder für mehr Gerechtigkeit und einen Ausgleich zwischen denen sorgen, die arbeiten, und denen, die wirklich auf Hilfe des Staates angewiesen sind.“ Dem Koalitionsvertrag „und damit auch der geplanten Bürgergeld-Reform“ habe im Übrigen auch „die SPD-Basis (...) vor einem halben Jahr mit großer Mehrheit zugestimmt.“

Deutliche Kritik kam auch vom Chef der Jungen Union, Johannes Winkel (CDU). „Ob bei Rente oder Bürgergeld: Es nervt, wenn andauernd der Koalitionsvertrag infrage gestellt wird“, sagte Winkel dem „Spiegel“. „Dass sich die SPD so stark an das Bürgergeld klammert, zeigt, wie stark der Bezug zu den Arbeitern verloren gegangen ist.“ Winkel forderte die Sozialdemokraten auf, sich ernsthaft Gedanken über ihre Zukunft als Koalitionspartner zu machen: „Wenn die SPD keine Lust mehr hat, Verantwortung für Deutschland zu übernehmen, soll sie es ehrlich sagen.“

Das Mitgliederbegehren haben als Erstunterzeichner 167 SPD-Vertreter aus Landes-, Bezirks und Ortsverbänden und auch Juso-Chef Philipp Türmer unterstützt. Es richtet sich insbesondere gegen die Verschärfung von Sanktionen beim Bürgergeld und fordert mehr Unterstützung für Betroffene.

20 Prozent der SPD-Mitglieder müssen Bürgergeld-Begehren unterschreiben

Eine SPD-Sprecherin sagte auf AFP-Anfrage, bisher sei dem Parteivorstand noch kein Mitgliederbegehren angezeigt worden. Nötig für den Start ist demnach, dass ein Prozent der SPD-Mitgliedschaft die Einleitung unterstützen. Dies wären etwa 3570 SPD-Mitglieder, die zudem mindestens aus zehn Unterbezirken und drei Bundesländern stammen. Wird dieses Quorum erreicht, kann das Begehren stattfinden. Es wäre angenommen, wenn es binnen drei Monaten von 20 Prozent der Mitglieder unterstützt wird.

„Die SPD darf keine Politik mittragen, die Armut bestraft“, heiße es unter anderem in dem Begehren, das fordere, die Sanktionen für die Bezieher von Bürgergeld, das künftig Grundsicherung heißt, nicht zu verschärfen. „Sanktionen, die das Existenzminimum gefährden, widersprechen der Menschenwürde“, laute die Begründung. Die Diskussion um das Bürgergeld sei „auf die Ursachen von Armut zu lenken anstatt auf symbolpolitische Maßnahmen“. Die SPD müsse sich auf Instrumente wie eine Vermögensteuer konzentrieren, statt „populistischen Forderungen nachzugeben“.

Das von SPD-Chefin Bärbel Bas geführte Bundesarbeitsministerium hatte Mitte Oktober Details zur Reform vorgelegt. Geplant sind demnach deutlich strengere Regeln für Menschen, die Grundsicherung bekommen. Unter anderem soll es künftig möglich sein, alle Leistungen inklusive der Mietzahlungen zu streichen, wenn Meldetermine wiederholt nicht wahrgenommen werden.

Bundeskanzler Merz (CDU) verteidigte die Reform-Pläne. „Es wird in Deutschland niemand obdachlos. Jeder, der eine Wohnung oder ein Dach über dem Kopf braucht, bekommt ein Dach über dem Kopf“, sagte der CDU-Chef dem ARD-Hauptstadtstudio. „Aber diejenigen, die gar nicht mitwirken, die sich noch nicht einmal melden beim Jobcenter, von denen müssen wir doch davon ausgehen, dass sie die Hilfe des Staates, des Sozialstaates, nicht brauchen.“

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