- Deutsche Krankenhäuser erreichen bei vielen Schwerverletzten schnell ihre Kapazitätsgrenzen und nur ein Viertel verfügt über Einsatzpläne für den Verteidigungsfall.
- Eine Studie zeigt erhebliche Defizite bei Stromversorgung, IT-Sicherheit, Schutzräumen und qualifiziertem Personal.
- Die Studie fordert Milliardeninvestitionen und empfiehlt, Verteidigungs-Sondermittel für die Krisenresilienz der Krankenhäuser zu nutzen.
Niemand kann seriöse Vorhersagen über mögliche Szenarien treffen. Klar aber ist, dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine die Sicherheitslage in ganz Europa verändert hat. Es gibt schon jetzt – unter versuchter Verschleierung der Urheberschaft – immer mehr sogenannte hybride Aktionen, von gezielter Desinformation über Cyberattacken und Sabotage bis zu Spionageaktionen mittels Drohnen und die Eskalationsspirale dreht sich weiter.
Eine Konsequenz ist, dass sich auch das Gesundheitssystem auf Krisen aller Art vorbereiten muss. Selbst auf kriegerische Angriffe, wie es in der Studie heißt. In der wurden unterschiedliche Szenarien geprüft, bis hin zum Verteidigungs- und Nato-Bündnisfall.
Fast vier Jahre nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine halten Politiker im Westen es für möglich, dass Russland in einigen Jahren ein Nato-Mitglied angreift. Damit würde Artikel 5 des Nato-Vertrags Anwendung finden, wonach jeder Angriff auf ein Mitgliedsland als Angriff auf alle Bündnispartner verstanden wird.
Belastungsgrenze im Kriegsfall schnell erreicht
Deutschland käme dabei eine zentrale Rolle zu, beispielsweise als logistische Drehscheibe für Truppentransporte und bei der Versorgung von Verletzen. Im Bündnis- oder Verteidigungsfall geht man von täglich rund 1.000 Verletzten aus, darunter etwa 250 Schwerverletzte. Bislang werden in den deutschen Krankenhäusern durchschnittlich 85 Schwerverletzte täglich versorgt.
Im Ernstfall hätten innerhalb von Tagen Bundeswehr-Krankenhäuser, Unfall- und Allgemein- sowie Universitätskliniken ihre Belastungsgrenze erreicht. Auch haben nur ein Viertel der Kliniken Einsatzpläne für den Verteidigungsfall, wie die Studie bemängelt. Sie fordert insgesamt mehr Krisensensibilität und empfiehlt sich bei diesem Thema an Ländern wie Israel oder Finnland zu orientieren.
Defizite auch bei Strom und Personal
Geprüft wurden von den Experten vor allem drei Bereiche. So geht es um die technische Resilienz, vor allem Energieversorgung, IT- und Kommunikationssicherheit sowie technische Infrastruktur. In dem Zusammenhang wurde die Stromversorgung als große Schwachstelle ausgemacht, da die Krankenhäuser nicht für einen längeren Ausfall gerüstet seien.
Außerdem thematisiert die Studie zunehmende Hackerangriffe auf Kliniken. Die müssten in solchen Fällen schnell auf Funk- und Satellitenkommunikation umsteigen, um eine ausreichende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
Ein weiterer untersuchter Bereich betrifft die bauliche Resilienz: Unter anderem wird der Aufbau von Lagerkapazitäten gefordert, um Sanitätsmaterial und Arzneimittel zu deponieren. Gleichzeitig brauche es auch mehr geschützte Räume, beispielsweise durch den Ausbau von Kellern und Tiefgaragen. In dem Zusammenhang mahnt die Studie dringend schnellere Genehmigungsverfahren an. So brauche es unbedingt ein Baubeschleunigungsgesetz.
Schlecht sieht es auch bei der personellen Resilienz aus. Es gäbe zu wenig, vor allem zu wenig qualifiziertes Personal.
Investitionen nötig
Die gravierenden Defizite bei der Krisenresilienz deutscher Krankenhäuser anzugehen, braucht es Milliardeninvestitionen. So berechnen die Macher der Studie die Kosten für die Krankenhäuser im Verteidigungsfall mit mindestens 15 Milliarden Euro. Schon die Vorbereitung auf Cyberangriffe und Sabotage schlägt mit 2,7 Milliarden Euro zu Buche, dazu Betriebskosten von jährlich 700 Millionen.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft plädiert als Auftraggeber der Studie deshalb dafür, Gelder aus dem Sondervermögen für die Verteidigung in den Krankenhaus-Transformationsfonds zu transferieren. Der sichert die geplante Krankenhausreform ab, bei der die sogenannte Krisenresilienz bisher kaum eine Rolle spielt.
Bis Ende des Jahres sollen erste Parameter für die neue Krankenhausstruktur entwickelt werden, weshalb die vorgelegte Studie genau rechtzeitig kommt, um auf die Planungen der Bundesregierung noch Einfluss zu nehmen.
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