Der RSF-General Al-Fateh Abdullah Idris, Kampfname „Abu Lulu“, inszeniert sich seit Monaten geradezu als Schlächter. So auch in diesen Tagen. Mit den Worten, er habe „über 2000 Menschen getötet“, prahlt er in einem Video, das wahrscheinlich nach der Eroberung der Großstadt El-Fasher am Wochenende entstanden ist. Seine Beteiligung an Exekutionen in der Stadt ist in teilweise von der BBC verifizierten Videos dokumentiert.

In einem ist zu sehen, wie er unbewaffnete Männer bedroht, beleidigt und schließlich mit einem Maschinengewehr erschießt. In einem anderen verspottet er einen am Boden liegenden Gefangenen, bevor er sein Magazin leert. Ein weiteres zeigt ihn, wie er mit einer Gruppe von RSF-Kämpfern auf knieende, gefesselte Männer feuert. Es sind Hinrichtungen, nachdem ihre Opfer während der 18 Monate dauernden Belagerung der Stadt regelrecht ausgehungert worden waren.

Besonders im Saudi-Hospital von El-Fasher, lange die letzte halbwegs funktionsfähige Klinik für die rund 250.000 eingeschlossenen Menschen, sollen sich nach dem Einmarsch der RSF zahlreiche Massaker abgespielt haben. Das Berufsnetzwerk Sudan Doctors’ Network berichtete, RSF-Kämpfer hätten „kaltblütig jeden getötet, den sie im Gebäude fanden – Patienten, Angehörige, medizinisches Personal“. Die Klinik sei in eine „menschliche Schlachthalle“ verwandelt worden.

Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, zeigte sich „entsetzt und zutiefst schockiert“ über Berichte, dass rund 460 Menschen in dem Krankenhaus erschossen wurden. Der UN-Sicherheitsrat hatte für Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung zur Lage im Sudan angekündigt. Die UN-Koordinatorin für den Sudan, Denise Brown, sprach in einem Interview mit der BBC von „glaubwürdigen Berichten über standrechtliche Hinrichtungen“.

Verifizieren lassen sich die Zahlen aktuell nicht, auch die Kontakte dieser Zeitung sind seit Tagen nicht mehr erreichbar – hoffentlich lediglich aufgrund des Zusammenbruchs der Kommunikationsnetze in der Stadt. Doch es scheint eindeutig, dass es sich bei den unbewaffneten Hingerichteten keineswegs ausschließlich um Soldaten oder Kämpfer der Nomadengruppe Zaghawa handelte.

Sie hatten sich auf Seiten der sudanesischen Armee und damit des Gegners der RSF in diesem seit April 2023 andauernden Krieg geschlagen. Der Hass ist allerdings auch historisch bedingt. Seit einem Ressourcenstreit in den 1980er Jahren in Folge einer Dürre verbindet beide Gruppen eine Feindschaft mit den drei Clans, aus denen die RSF überwiegend ihre Kämpfer rekrutiert.

Schon im Fall der Hinrichtungen von gefangengenommenen Truppen würde es sich selbstverständlich um schwere Kriegsverbrechen durch die RSF handeln, der die USA Völkermord an einer anderen Volksgruppe, den Massalit, vorwerfen. Doch in den Videos, die RSF-Kämpfer triumphierend in sozialen Medien verbreiten, ist auch zu sehen, wie alte Menschen und Verwundete getötet werden. Offenbar auch in einer Moschee.

Die Eskalation erfolgt, nachdem die sogenannte Vierergruppe („Quad“) aus den USA, Saudi-Arabien, den VAE und Ägypten – und damit die vier Länder mit dem größten Einfluss auf die Kriegsparteien – im September „gemeinsame Grundsätze zur Beendigung des Konflikts“ präsentiert hatte. Doch die RSF, die ihre Goldeinnahmen über Dubai abwickelt und den Emiraten viele Jahre lang Söldner für den Krieg im Jemen geschickt hatte, lehnte den Plan ab. Schließlich wäre er auf eine schrittweise Auflösung der RSF als eigenständige Einheit hinausgelaufen.

In Sudan gehen viele davon aus, dass dies mit den Unterstützern in den Vereinigten Arabischen Emiraten abgestimmt worden ist. Offiziell bestreiten die Emirate eine Unterstützung der RSF. Mehrere UN-Expertengruppenberichte dokumentierten jedoch Lieferketten von Waffen. Nach den Gräueltaten von El-Fasher werden im Sudan die Rufe nach erweiterten Sanktionen jedenfalls lauter.

Doch bislang beschränken sich die USA und Europa auf Maßnahmen gegen einige wenige Gold- und Logistikfirmen, ohne die größeren Handels- und Finanzstrukturen anzutasten. Selbst spürbarer diplomatischer Druck auf das Land, das zu den wichtigsten operativen Partnern der USA im Nahen Osten gehört, ist ausgeblieben.

Doch auch Sudans Armee stört sich am Wortlaut des in Washington verhandelten Entwurfs, in dem von einer „vereinheitlichten, professionellen Streitkraft unter ziviler Autorität“ die Rede ist. Zudem könne die Zukunft des Sudans „nicht von gewalttätigen extremistischen Gruppen diktiert werden, die Teil der Muslimbruderschaft sind“.

Dahinter steckt die kaum verklausulierte Forderung, dass die wachsende Kontrolle der 2019 gestürzten Islamisten von Ex-Diktator Omar al-Baschir über die Armee zurückgedrängt werden müsse. Die Quad-Grundsätze sind durchaus sinnvoll, so wie man generell feststellen muss, dass sich die USA unter der Administration von Donald Trump stärker als Vermittler in diesem Krieg einbringen als unter seinem Vorgänger Joe Biden.

Doch Armee-Chef Burhan weiß, dass seine Zukunft längst in der Hand des al-Baschir-Umfelds liegt – und wies den Vorschlag als „mangelnden Respekt gegenüber Sudans Souveränität“ zurück. So können Kriegsfürsten wie Abu Lulu ungestört weiter morden. Schon im August hatte die RSF bekanntgegeben, die Vorwürfe gegen den General zu untersuchen.

„Er wird unverzüglich zur Rechenschaft gezogen“, behauptete die Gruppe damals, die eine Parallelregierung für Darfur ausgerufen hat – ein Gebiet etwa anderthalb Mal so groß wie Deutschland. Doch eine Zügelung von Lulu und seinen Männern ist ganz offensichtlich nicht erfolgt. Und so wirkte eine Stellungnahme von RSF-Chef Hemedti am Mittwoch auch denkbar unglaubwürdig. Da kündigte er erneut Ermittlungen zu „Verstößen“ seiner Kämpfer in El-Fasher an.

Christian Putsch ist Afrika-Korrespondent. Er hat im Auftrag von WELT seit dem Jahr 2009 aus über 30 Ländern dieses geopolitisch zunehmend bedeutenden Kontinents berichtet.

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