Donald Trump baut die militärische Präsenz der USA in der Karibik aus, lässt angebliche Drogenboote versenken, kündigt einen Regimewechsel in Venezuela an und setzt einen Flugzeugträger in Marsch. An den karibischen Küsten werden verbrannte Leichen angespült. Tourismus, Fischerei und lokale Wirtschaft drohen langfristig Schaden zu nehmen.
Das Vorgehen des US-Präsidenten in der Karibik ist der Prototyp einer globalen Ordnung auf Basis des Rechts des Stärkeren – in der die Staatschefs kleiner Länder ohnmächtig außen vor sind.
Doch karibische Regierungschefs finden kaum Gehör in Washington. Gespräche mit US-Vertretern verliefen selten als echter Dialog, sondern häufig lediglich als Mitteilung, sagt ein ehemaliger Diplomat der Region. Karibische Diplomaten bitten oft nur darum, dass die USA tun sollten, was sie zu tun haben, aber „bitte schnell“ – in der Hoffnung, dass so das Ausmaß der Instabilität begrenzt wird.
Einfluss besitzen die Staaten kaum, sie sind wirtschaftlich abhängig von den USA – sei es durch Rücküberweisungen von Migranten an ihre Familien, Investitionen, Tourismus oder im Fall einer potenziellen Bedrohung aus Venezuela durch militärischen Schutz.
„Wir verfügen weder über Streitkräfte noch über wirtschaftliche Schlagkraft oder militärische Stärke“, sagt Ronald Sanders, Botschafter von Antigua und Barbuda in den USA. Die diplomatischen Mittel bestünden aus Argumenten und intellektueller Auseinandersetzung. Letztlich, so Sanders, liege die Hoffnung im Appell an das Gewissen der amerikanischen Seite.
Natürlich haben große Staaten kleinere immer dominiert. Auch die Karibik ist daran gewöhnt, nur begrenzten Einfluss auf US-Präsidenten zu besitzen; selbst Trumps Vorgänger Joe Biden erachtete die Region selten als wichtige politische Priorität.
Doch Trumps demonstrative Machtausübung in der Karibik ist so rücksichtslos und kompromisslos, dass sie das grundlegende Prinzip erschüttern könnte, wonach auch kleinere Staaten ein Mitspracherecht auf der Weltbühne haben – eine Idee, auf die viele internationale Institutionen seit dem Zweiten Weltkrieg aufbauen.
Unter Trump können kleinere und weniger wohlhabende Länder – ob in der Karibik, in Afrika oder anderswo – nicht mehr unbedingt auf den Schutz mächtiger Verbündeter setzen; denn auch diese wissen, dass Trump sie jederzeit bestrafen könnte. Der US-Präsident wollte beispielsweise kürzlich die Zölle auf kanadische Produkte erhöhen – nur aus Ärger über einen TV-Spot.
Es zeichnet sich eine raue Weltordnung ab, in der das Schicksal kleinerer Staaten davon abhängt, welcher Akteur gerade die Oberhand hat. Länder wie Russland und China könnten sich vom US-Vorgehen bestärkt fühlen, dieses Prinzip in der eigenen Nachbarschaft anzuwenden.
Auf Anfrage äußerten sich Vertreter aus Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien – allesamt europäische Staaten mit Hoheitsrechten über karibische Gebiete – auffallend zurückhaltend. Die US-Militäraktionen in der Region wolle man diplomatisch lieber nicht thematisieren. Es sei schlicht den Aufwand nicht wert, egal, was internationale Rechtsgrundlagen vorschreiben, sagt ein europäischer Diplomat.
„Man muss mit dieser Regierung gezielt abwägen, in welchen Konflikten man sich engagiert, und die Prioritäten klar auf die eigenen nationalen Interessen legen“, sagt derselbe Diplomat weiter. Juristisch sei die Lage komplex – doch einen substanziellen Schaden für europäische Interessen sehe er dort nicht. „Ich betreibe Realpolitik“, sagt einer der europäischen Diplomaten lakonisch.
„Die USA machen schlicht, was sie wollen. Sie wollen nicht einmal mehr den Anschein von Altruismus in ihren internationalen Beziehungen wecken“, sagt ein ehemaliger karibischer Diplomat. Ein geschlossenes Vorgehen der Karibikländer gegen Trump ist angesichts interner Streitigkeiten kaum denkbar.
Die Formulierungen bleiben vorsichtig
Diese wurde etwa in einer jüngsten Stellungnahme der Karibik-Staatengruppe Caricom deutlich. Zwar äußerte sie sich kritisch gegenüber dem US-Vorgehen und rief dazu auf, Verbrechen in der Region weiterhin im Rahmen internationaler Kooperation und gemäß geltendem Recht zu bekämpfen.
Doch die Formulierungen blieben vorsichtig, und ein Land verweigerte sogar die Zustimmung zu dem Papier: Trinidad und Tobago, das im vergangenen Jahr angesichts steigender Mord- und Verbrechensraten den Ausnahmezustand ausgerufen hatte. Regierungschefin Kamla Persad-Bissessar gilt als Befürworterin von Trumps Militärstrategie – die für sie ein Mittel gegen kriminelle Banden ist.
Guyana unterzeichnete die Caricom-Erklärung zwar, signalisierte aber Unterstützung für die US-Maßnahmen. Einerseits wegen der ebenfalls steigenden Kriminalität im Land, andererseits hofft das Land auf Schutz der USA gegen das Nachbarland Venezuela. Länder wie Trinidad und Tobago, Guyana und Suriname hoffen wiederum auf Unterstützung bei der Entwicklung von Öl- und anderen Energieressourcen. Andere Länder halten eine US-Präsenz für die Stabilisierung Haitis für unerlässlich.
Und natürlich wissen die Karibikstaaten, dass Trump und seine Top-Leute – darunter Außenminister Marco Rubio, treibende Kraft hinter dem aktuellen Militäreinsatz – mit wenig Verständnis auf öffentliche Kritik reagieren. Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro etwa kritisierte die US-Angriffe auf mutmaßliche Schmugglerboote, besonders nachdem ein Mensch getötet wurde, von dem Petro behauptet, es habe sich um einen unschuldigen Fischer gehandelt.
Die Reaktion des Weißen Hauses folgte prompt: Trump verhängte Sanktionen gegen Petro und dessen Familie und warf ihm vor, selbst ins Drogengeschäft verwickelt zu sein. Er drohte zudem, die US-Hilfen für Kolumbien zu streichen – ein bemerkenswerter Schritt gegenüber einem der wichtigsten Partner in Südamerika.
Ein wiederkehrender Kritikpunkt karibischer Regierungsvertreter: Die USA hätten weder einen klaren Zeitplan noch ein erkennbares Ziel für ihre Operationen, die sich inzwischen sogar auf die Pazifikregion ausgeweitet haben. Zwar fanden seit Beginn der Militärkampagne im September offizielle Gespräche statt; etwa besuchte der scheidende US-Kommandeur für Südamerika mehrere Karibikstaaten.
Insgesamt aber blieb der diplomatische Austausch spärlich. Das Weiße Haus äußert sich zurückhaltend. Präsident Trump werde „jeden Aspekt amerikanischer Macht nutzen, um den Drogenschmuggel zu stoppen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, sagt eine Sprecherin und wiederholt damit die gängige Sprachregelung.
China und Russland beobachten die Lage genau
Das US-Dominanzverhalten in der Karibik bleibt nicht unbeobachtet: China und Russland schauen sich sehr genau an, wie die Vereinigten Staaten ihre militärischen Ressourcen zunehmend auf die unmittelbare Nachbarschaft orientieren. „Das ist das Zeichen, wo Amerika künftig Krieg führen will – im eigenen Hinterhof, nicht irgendwo weit entfernt“, sagt Tom Shannon, ehemaliger hoher US-Diplomat.
Für Taiwan, die Ukraine oder sogar Estland verheißt die aktuelle Entwicklung wenig Gutes. Sie nährt unter zahlreichen amerikanischen Verbündeten die Befürchtung, dass sie im Ernstfall nicht auf Washingtons Unterstützung zählen können.
Zudem deutet vieles darauf hin, dass Trump der Vorstellung von globalen Einflusssphären anhängt – einer Ordnung, in der die USA, Russland und China ungestört in ihren jeweiligen Nachbarschaften agieren können. Hinzu kommt: Karibische Staaten, die sich vom US-Druck bedrängt fühlen, könnten sich noch stärker China zuwenden.
Das ist besonders problematisch für Taiwan: Von den wenigen Nationen, die den Inselstaat überhaupt anerkennen, befindet sich ein Großteil in der Karibik. Nicht auszuschließen, dass einige von ihnen das Verhältnis zur Insel zugunsten einer Annäherung an China lockern – quasi als Geschenk für Peking.
Für China wiederum birgt Trumps Vorgehen den Vorteil, sich international als „verantwortungsvoller Akteur“ und angeblicher Verfechter des Multilateralismus inszenieren zu können.
Die Sorgen der karibischen Regierungen gelten vor allem der Dauer und Intensität der US-Militärpräsenz. Je länger diese andauert, desto größer die Unruhe in der Bevölkerung – und desto massiver könnten wirtschaftliche Folgen ausfallen. Bereits jetzt gibt es Proteste gegen die US-Operationen, unter anderem in Trinidad und Tobago, wo jüngst ein amerikanisches Kriegsschiff angelegt hatte.
Dieser Text erschien zuerst bei „Politico“. Übersetzt und redaktionell bearbeitet von Klaus Geiger.
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