Das neue Abgeordnetenhaus in Tschechien hat den entschiedenen EU- und Nato-Kritiker Tomio Okamura zum Parlamentspräsidenten gewählt. Der Gründer der ultrarechten Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) erhielt 107 Stimmen. Er schlug damit den christdemokratischen Gegenkandidaten Jan Bartosek, für den 81 Abgeordnete votierten.
Besonders ist, dass ein Gericht die Aufhebung der Immunität Okamuras beantragt hat, um gegen ihn ein Verfahren wegen Volksverhetzung eröffnen zu können. In dem Fall geht es um eine frühere Wahlkampagne mit mutmaßlich rassistischen Inhalten. Auf Plakaten war ein blutüberströmter Schwarzer mit einem langen Messer neben der Forderung „Stopp dem Migrationspakt der EU“ abgebildet.
Okamura ist als Tschechojapaner Sohn eines Japaners und einer Tschechin. Er wurde in Tokio geboren, seine Familie zog aber in die damalige Tschechoslowakei, als Okamura sechs Jahre alt war. Später lebte er noch einige Zeit in Japan, schlug sich als Müllmann und Popcornverkäufer in einem Kino durch ehe er nach Tschechien zurückkehrte und in der Reisebranche arbeitete.
2015 gründete er die „Freiheit und direkte Demokratie“. Bei der Parlamentswahl Anfang Oktober erhielt die Partei 7,8 Prozent der Stimmen. Wahlsieger Andrej Babis und seine ANO wollen eine Koalition mit Okamuras Partei und der Autofahrerpartei Motoristen bilden. Erforderlich ist dafür allerdings die Bereitschaft des liberalen Präsidenten und Ex-Nato-Generals Petr Pavel, die neue Regierung in dieser Form zu ernennen. Seine Entscheidung wird mit Spannung erwartet.
Bereits am Montag unterzeichneten die drei Parteivorsitzenden einen Koalitionsvertrag. Sie kündigten eine „Nulltoleranz gegenüber illegaler Migration“ an, versprechen geringere Energiepreise, ein Ende der Rundfunkgebühr und die Wiedereinführung der Rente ab 65. Sie lehnen den Euro ab und wollen die Beibehaltung der Krone in der Verfassung verankern. Aus dem Ausland finanzierte Organisationen sollen ihre Geldgeber künftig offenlegen. Der Green Deal der EU wird indes als „unhaltbar“ kritisiert und das europäische Migrations- und Asylpaket rundum abgelehnt.
Bruder warnt vor „Gefahr für die Sicherheit“ Tschechiens
Gegen die Wahl Tomio Okamuras zum Parlamentspräsidenten stellte sich sein eigener Bruder. Der fünf Jahre ältere Hayato Okamura sitzt für die Christdemokraten im Abgeordnetenhaus. In einer emotionalen Rede sprach er von einer „ernsten Gefahr für die Sicherheit“ des Landes. Der scheidende konservative Innenminister Vit Rakusan sprach von einer „internationalen Schande“ für sein Land und warnte vor irreparablen Schäden.
Im Wahlkampf hatte Okamura ein Referendum über den Austritt aus der Nato gefordert. Er drohte Ukrainern, die nicht arbeiten, mit dem Verlust des Aufenthaltstitels.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt beim ursprünglichen Autor. Die erneute Veröffentlichung dieses Artikels dient ausschließlich der Informationsverbreitung und stellt keine Anlageberatung dar. Bei Verstößen kontaktieren Sie uns bitte umgehend. Wir werden bei Bedarf Korrekturen oder Löschungen vornehmen. Vielen Dank.