• Immer mehr Arztpraxen finden keinen Nachfolger mehr – auch weil durch die Bürokratie wenig Zeit für die Patienten bleibt. Investoren wollen das Problem lösen, indem sie Praxen kaufen und Ärzte anstellen. So können sich diese auf die Medizin konzentrieren.
  • In den Praxisabrechnungen ist dieses Modell nicht vorgesehen. Kritiker bemängeln, dass der Druck zum Geldverdienen durch den Kauf von Praxen steigt.
  • Dennoch sehen Investoren das Modell als Chance, die ärztliche Versorgung auf dem Land zu gewährleisten.

Ingmar Wegner stapft die Treppe hinauf in einem Medizinischen Versorgungszentrum in Leipzig. Hier hat für ihn alles angefangen. Seine erste Praxis, sein erstes Investment: "Sehen Sie, jetzt sind wir mitten in der Praxis. Relativ großzügig geplant. Wo Patienten ihre medizinisch notwendigen Therapien, Infusionen, oft Chemotherapien oder Antikörper bekommen."

Wegner ist kein Arzt sondern Kaufmann aus Jena. Zusammen mit seinem Bruder hat er die Convales-Holding aufgebaut. Zu ihr gehören heute rund 50 Einrichtungen – von Kinderarztpraxen über Frauenärzte bis hin zu einem Lungenzentrum.

Praxismodell: Holding erledigt Bürokratie, Ärzte behandeln

Die Holding wächst vor allem in ostdeutschen Kleinstädten. Wegner sagt: "Meine Mutter ist Apothekerin gewesen und da kennt man sich ein bisschen in den Strukturen aus. Und man sieht, dass insbesondere im ländlichen Raum ärztliche Kollegen, die langgedient ihre Praxis dort hatten, an die nächste Generation übergeben wollen, aber oft auch niemanden finden."

Wegner kauft solche Praxen – stellt Ärzte ein und nimmt ihnen die Risiken der Selbstständigkeit ab. Und seine Holding kümmert sich um die Bürokratie: "Verwaltungsprozesse machen bei uns eben Verwaltungsfachleute. Medizinische Behandlungen machen Mediziner. Und ich glaube, das ist der eigentliche Vorteil, dass der Arzt sich auf ärztliche Tätigkeit konzentrieren kann und ihm der Rücken frei gehalten wird."

Abrechnung: Externes Management muss mitfinanziert werden

Das klingt gut – und doch gibt es an dem Modell auch Kritik. Geht es in den Praxen der Investoren wirklich um die Patienten oder doch mehr um den Gewinn? Erik Bodendieck ist Präsident der sächsischen Landesärztekammer und sagt: Das Abrechnungskonzept für Praxen sehe vor, dass ein Arzt die Bürokratie nebenbei miterledige.

Wenn Investoren Praxen kaufen, müssten Renditen sowie Gehälter für Verwaltung und Management in der Tat miterwirtschaftet werden: "Das ist das eine. Und das andere ist, dass man sich dort vor allem die Leistungsbereiche rauspickt, die finanzkräftig sind. Also Radiologie, aber auch die Augenheilkunde, die in einzelnen Bereichen tatsächlich auch relativ hohe Umsätze in der niedergelassenen Ärzteschaft produziert."

Angestellte Ärzte: Weniger stabile Beziehung zwischen Arzt und Patient

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen sieht die Entwicklung hin zu immer mehr Praxen in Investorenhand kritisch. Unter angestellten Ärzten gäbe es viel Fluktuation – was dort eine stabile Beziehung zwischen Arzt und Patient erschwere.

Chance für ärztliche Versorgung im ländlichen Raum

Investor Ingmar Wegner hält dagegen: Manche Kleinstadtpraxis gäbe es ohne ihn gar nicht mehr: "Wir werden uns sicherlich im Erzgebirge engagieren. Dort ist auch hoher Versorgungsbedarf. Auf jeden Fall schauen wir uns schon auch Regionen an, wo ein hoher Bedarf ist. Und dort gibt es Landstriche, da sind freie Arztsitze, die besetzt werden können. Und da ist man von der Lokalpolitik auch gerne gesehen, um dort medizinische Versorgung zu sichern."

In seinen Praxen gibt Ingmar Wegner auch ausländischen Ärzten eine Chance. Ärzten, die viel von Medizin verstehen, aber wenig vom deutschen Abrechnungswesen. Der Unternehmer erzählt, als er eine Augenarztpraxis in Mittweida eröffnet habe, da hätten die Leute Schlange gestanden – bis auf den Marktplatz.

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