Manchmal begegnet man Menschen, bei denen man denkt: Ach, könnte ich nur so glauben wie er. Paul Badde war so ein Mensch. Es trug seinen christlichen, sehr katholischen Glauben nicht zur Schau, war lebensfroh und nicht betont fromm, gehörte schon gar nicht zu jener unangenehmen Sorte von Glaubenskämpfern, die ihre Religion als Waffe gegen andere benutzen. Er war, das merkte man ihm an, in seinem Glauben aufgehoben.
Dass er nun nach langer Krankheit mit 77 Jahren an seinem Sehnsuchtsort Manoppello in den Abruzzen gestorben ist, erscheint da fast wie ein poetischer Schluss. In dem Dorf auf einem Hügel abseits der Touristenströme Richtung Adria wird nämlich der Schleier des Heiligen Antlitzes aufbewahrt, den Badde für ein wahres Abbild des Gesichts Jesu hielt und mit seinem Buch erst einem breiteren deutschen Publikum bekannt gemacht hat.
„Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“, sagt Jesus von Nazareth in Matthäus 18,3.
Paul Badde, der als 68er ein bewegtes Leben führte und die meisten Irrwege seiner Generation mitging, der als Redakteur der Satirezeitschrift „Pardon“ arbeitete, bevor er eine bürgerlichere Laufbahn einschlug und für das „FAZ“-Magazin, später für die WELT arbeitete, mochte in diesem Sinne wie ein Kind erscheinen; er nannte sich mir gegenüber einmal ein „altes Kind“.
Redakteure dieser Zeitung, die ihn als Korrespondenten nach Jerusalem schickte, um über den Nahostkonflikt zu berichten, konnte Paul Badde zur Verzweiflung bringen mit langen Recherchen über archäologische Funde, die biblische Berichte über die frühen Christen bestätigten, Zeugnisse des Apostels Paulus oder das leere Grab der Maria. Er war der beste Führer durch die Heilige Stadt, die man sich wünschen konnte, bewegte sich aber über die sichtbaren und unsichtbaren Linien, die Araber und Juden trennen, als gebe er sie nicht. Natürlich war er nicht naiv; aber sub specie aeternitatis waren diese Konflikte für Badde nicht wesentlich.
Was nicht heißt, dass er in Sachen Israel keinen Kompass hatte. Im Gegenteil: Er war ein Freund des jüdischen Volkes, übersetzte das Werk des Zionisten, Ex-Irgun-Kämpfers und Papstkritikers Zvi Kolitz, „Jossel Rakovers Wendung zu Gott“ ins Deutsche, kam zur WELT gerade wegen des klaren Bekenntnisses Axel Springers zum jüdischen Staat.
Paul Badde, WELT-Korrespondent in Rom, wo er sich zuhause fühlte
Aber weil er Israelis und Palästinensern den Frieden so sehr wünschte, kam Badde mit der eskalierenden Gewalt der Zweiten Intifada und der israelischen Reaktion darauf emotional schwer zurecht. Als Korrespondent der WELT in Rom, wo er zu den Gründern, Herausgebern und wichtigsten Autoren des „Vatican-Magazins“ gehörte und die letzten 22 Jahre seines Lebens lebte, konnte er sich eher zuhause fühlen.
Einer seiner Irrwege hatte Badde in nicht mehr ganz jungen Jahren zur „Integrierten Gemeinde“ geführt, einer Art katholischen Kommune, die ihm nicht zuletzt deshalb zusagte, weil sich deren Gründerin betont pro-jüdisch und pro-israelisch gab. Die Enttäuschung über diese Gemeinde und die schmerzhaften Umstände seines Austritts prägten ihn stark.
Badde war eben nicht naiv; war nicht Kind geblieben, sondern war „umgekehrt“ und wieder Kind geworden, auch in seiner Fähigkeit, Wundern nachzuspüren und sie für andere spürbar zu machen: ob es das wundersame Bildnis der Maria von Guadalupe in Mexiko war, das Turiner Grabtuch, das Haus der Heiligen Familie im italienischen Loreto, die Lukas-Ikone in Rom oder eben „das Antlitz Gottes in Manoppello“, so der Untertitel seines Buchs.
Gleichzeitig konnte sich Paul Badde stundenlang, kenntnisreich und ohne Rekurs auf theologische oder sonstige Dogmen über die Rolling Stones und andere Rockmusiker, besonders aber über Bob Dylan, Leonard Cohen oder Randy Newman unterhalten, drei jüdische Liedermacher, die er über alles verehrte. Im Jahr vor seinem Tod tauschten wir darüber viele E-Mails aus, nachdem ich ihm mein Buch über Dylan geschickt hatte.
Nie sprach er dabei von seiner Krankheit, aber dass er mir zum „Endspurt“ gratulierte, als ich 75 wurde und mich vor genau einem Jahr bat: „Bitte, schreib noch ein Buch und schick es mir, aber rasch, weil die Zeit jetzt immer mehr eilt“: Das hätte mir mehr zu denken geben sollen. In diesem Sommer fuhr ich an Manopello vorbei und dachte an Paul; hätte ich gewusst, dass er von Rom in das Dorf, dessen Ehrenbürger er war, zum Sterben gezogen war, wäre ich noch einmal hinaufgefahren.
Am Samstag wird Paul Badde dort im Santuario del Volto Santo beigesetzt. Er hinterlässt eine Frau und fünf Kinder.
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