Die Spitzen der schwarz-roten Koalitionsfraktionen haben die Verständigung auf ein Modell für einen neuen Wehrdienst als gutes Ergebnis bezeichnet. Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) sagte in Berlin: „Wir werden mehr Verbindlichkeit haben in der Freiwilligkeit.“ Es solle ein „Aufwuchspfad“ festgehalten werden, sodass die Gesellschaft immer wisse, wo man stehe.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Matthias Miersch sagte, es seien keine einfachen Verhandlungen gewesen. „Wir sind ganz sicher, dass wir das schaffen werden, auch im Rahmen der Freiwilligkeit.“ Sollte dies nicht der Fall sein, werde der Bundestag sich damit neu auseinandersetzen müssen. Das Gesetz sieht eine sogenannte Bedarfswehrpflicht vor, die eingeführt werden kann.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sagte, die Koalition liefere. Man setze auf die „richtige Mischung aus Freiwilligkeit und Verpflichtung“ mit einem verbindlichen Pfad zu Zeit und Zielen. Zudem gelinge es, die Bundeswehr endlich wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erklärte: „Andere europäische Länder, gerade im Norden, zeigen, dass das Prinzip Freiwilligkeit mit Attraktivität verbunden funktioniert – und ich erwarte das bei uns ganz genau so“, sagte er.
Pistorius betonte die Bedeutung der vereinbarten, flächendeckenden Musterung. Dafür gebe es konkrete Pläne. So solle ein erstes Ergebnis mit Empfehlungen möglichst noch am Tag der Untersuchung vorgelegt werden. Für die Wehrerfassung sei aber auch schon der Fragebogen wichtig, der an junge Menschen verschickt werden soll.
Pistorius: „Das ist die Erfahrung aus dem Kalten Krieg“
„Grund zur Sorge, Grund zur Angst gibt es nicht“, sagte Pistorius. „Weil die Lehre ist ganz klar: Je abschreckungs- und verteidigungsfähiger unsere Streitkräfte sind, durch Bewaffnung durch Ausbildung und durch Personal, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass wir überhaupt Partei eines Konfliktes werden – und damit ist allen gedient, das ist die Erfahrung aus dem Kalten Krieg. Deswegen gibt es gar keinen Grund, sich irgendwelche Sorgen zu machen.“
Die Verständigung sieht unter anderem eine flächendeckende Musterung und Zielmarken für den Aufwuchs der Truppe vor. Bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen soll der Bundestag über eine sogenannte Bedarfswehrpflicht entscheiden können, bei der auch ein Zufallsverfahren zur Auswahl genutzt werden kann.
Grüne kritisieren: „Verschlimmbesserung“
Die Grünen-Politikerin Sara Nanni sieht im Wehrdienst-Kompromiss der Koalition eine „Verschlimmbesserung“ im Vergleich zu den ersten Plänen von Pistorius. „Insgesamt klingt der Vorschlag nach mehr Bürokratie als der ursprüngliche aus dem Ressort erarbeitete und vom Kabinett beschlossene. Es ist eine Verschlimmbesserung“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion der Funke Mediengruppe.
Dass die Koalition in der zweiten Stufe beim Losen bleiben wolle, halte sie für falsch, sagte Nanni. Man brauche die Besten für die Bundeswehr, nicht irgendjemanden. „Warum um Freiwillige werben, wenn man demnächst heranziehen kann? Das ist eine große Gefahr, hier könnten weiterhin wichtige Veränderungen verschleppt werden.“
Bundeswehrverband sieht Kompromiss als Schritt in die richtige Richtung
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner, bewertet die Einigung der Koalition als einen Schritt in die richtige Richtung. Es handele sich um einen „Kompromiss, der zumindest die Attraktivität des freiwilligen Einstiegs in die Bundeswehr stärkt, Transparenz mit Blick auf den Aufwuchs erzeugt sowie die Grundlage für die Wehrerfassung und Musterung eines gesamten Jahrgangs schafft“, sagte Wüstner WELT. „Ob das Setzen auf Freiwilligkeit ausreicht, wird man in den nächsten Jahren erkennen.“ Ein gegebenenfalls notwendiges Umschalten auf eine sogenannte „Bedarfswehrpflicht“ müsse auf jeden Fall „als Option vorbereitet werden“.
Gut sei, „dass die Möglichkeit des niedrigschwelligen Einstiegs über den sogenannten Status des Freiwilligen Wehrdienstleistenden erhalten bleibt“, sagte Wüstner. „Im Sinne eines gewollten gesamtgesellschaftlichen Engagements ist ebenfalls gut, dass im Anschreiben ab dem Jahrgang 2008 auf andere Freiwilligendienste hingewiesen und ein Ausbau des Angebots noch im Bundeshaushalt für das kommende Jahr abgedeckt werden soll.“
Für die Truppe sei entscheidend, so der Oberst, „dass im nächsten Jahr ein weiteres Artikelgesetz Aufwuchs erarbeitet wird, um die Attraktivität für die Profis, also die länger dienenden Zeit- und Berufssoldaten, so auszugestalten, dass sich wesentlich mehr Menschen für den herausfordernden Dienst in den Streitkräften über mehrere Jahre hinweg entscheiden“.
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