Das deutsche Rentensystem braucht aus Sicht von Bundessozialministerin Bärbel Bas mutige Entscheidungen und Kompromissbereitschaft aller Seiten. „Am Ende wird die Koalition sehr grundlegend entscheiden müssen. Wir brauchen ein mutiges Modell, bei dem sich alle drei Regierungsparteien bewegen müssen“, sagte die SPD-Co-Vorsitzende dem „Tagesspiegel“. „Ich weiß genau, wie schwer das für alle wird, auch für die SPD.“
Bas verwies auf die Konstituierung der Rentenkommission noch in diesem Jahr. Die Experten müssten schneller als geplant ihre Ergebnisse liefern. Die Kommission soll bis Sommer 2026 Vorschläge zur langfristigen Sicherung der Altersversorgung machen. Die Experten würden sich auch andere Systeme in Europa ansehen, kündigte die Ministerin an.
Kurzfristig muss die Koalition aber noch ihr Rentenpaket über die Ziellinie bringen, es soll am 1. Januar in Kraft treten. Dazu gehören die sogenannte Haltelinie beim Renten-Sicherungsniveau, die ausgeweitete Mütterrente, die geplante Frühstartrente, wonach Kinder ab dem sechsten Lebensjahr pro Monat zehn Euro vom Staat für ein Altersvorsorgedepot bekommen sollen, die Aktivrente mit steuerfreiem Zuverdienst bis zu 2000 Euro im Monat für Rentner, eine Betriebsrentenstärkung und die Reform der Riester-Rente.
Vor allem wegen des Widerstandes des Unionsnachwuchses wird heftig über das Paket gestritten. Streitpunkt ist die im Kabinett vereinbarte Verlängerung der Haltelinie für das Rentenniveau – also das Absicherungsniveau der Rente im Verhältnis zu den Löhnen – bei 48 Prozent bis 2031. In dem vom Kabinett beschlossenen Rentengesetzentwurf ist vorgesehen, dass auch nach 2031 das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher liegen soll als im geltenden Recht. Die SPD beharrt darauf, die Junge Union und weitere Politiker in der CDU/CSU sehen darin eine zu große Belastung für die jüngeren Generationen.
Bas: Spahn „in der Pflicht“
Bas forderte Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) auf, die Zustimmung seiner Abgeordneten zu dem Rentenpaket der Regierung zu organisieren. „Für Mehrheiten im Parlament sind die Fraktionsvorsitzenden zuständig, bei der Union ist Jens Spahn in der Pflicht“, sagte sie. Die SPD-Chefin warnte vor einem Nachgeben gegenüber dem Unionsnachwuchs. „Kämen wir jetzt der Jungen Gruppe entgegen, bekämen wir kaum noch ein strittiges Gesetz mit der SPD-Fraktion durch“, mahnte Bas.
Sie erinnerte an die Zustimmung der SPD zu im Koalitionsvertrag verankerten Projekten der Union. „Bei Fragen, die der Union wichtig waren, die aber für die SPD sehr schmerzhaft waren, hat die SPD-Fraktion gestanden. Das erwarte ich jetzt auch von der Unionsfraktion.“
Jusos schalten sich ein
Derweil schalten sich die Jusos in die aktuelle Rentendebatte ein. Sie wollen beim bevorstehenden Bundeskongress weitreichende Forderungen für ein höheres Rentenniveau beschließen. „Die durchschnittliche Rente liegt nur knapp 100 Euro oberhalb des Armutsniveaus“, heißt es in einem Initiativantrag des Juso-Bundesvorstandes zum Sozialstaat, der der „Rheinischen Post“ vorlag. „Wenn sichergestellt werden soll, dass auch junge Menschen später einmal von ihrer Rente leben können, ist klar: Das Rentenniveau darf auf keinen Fall sinken.“ Der Juso-Vorstand fordert demnach in dem Antrag: „Wir wollen das Rentenniveau absichern und in Zukunft wieder auf ein Niveau von 53 Prozent anheben.“
Zur Finanzierung der künftigen Rente will die SPD-Nachwuchsorganisation alle Berufsgruppen einbeziehen. „Nur wenn Menschen mit hohen Einkommen wie Menschen mit geringen und mittleren Einkommen Teil des gleichen Systems sind, kann auch innerhalb des Rentensystems effektiv umverteilt werden, sodass insbesondere kleine Renten gestärkt werden“, heißt es im Antrag. Deswegen müssten „alle Berufsgruppen in die gesetzliche Rente einbezogen werden. Selbstständige, ebenso Abgeordnete und Beamte“.
Zudem solle die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze für Besserverdiener fallen. Außerdem fordern die Jusos die Abschaffung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung zugunsten einer Bürgerversicherung bei gleichzeitiger Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze. Hierdurch seien Beitragssenkungen „von bis zu 3,8 Prozentpunkten möglich“.
Überdies wollen sich die Jusos für einen „Entlastungsreflex“ für Bezieher geringer und mittlerer Einkommen einsetzen. Damit sollen „alle zusätzlichen Belastungen der Arbeitnehmer durch erhöhte Sozialversicherungsbeiträge spiegelbildlich durch entsprechende Senkungen der Einkommensteuer ausgeglichen werden“, heißt es im Antrag.
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