Es ist eine vergleichsweise zurückhaltende Mahnung, die Daniel Günther an diesem Sonnabend nach Berlin sendet. Keine grobe Parteitagspolemik, keine zu scharfen Worte, für die es ja durchaus Anlass gegeben hätte, angesichts der wenig überzeugenden Vorstellung, die die schwarz-rote Bundesregierung in den ersten sechs Monaten ihrer Existenz abgeliefert hat. „Ein bisschen mehr Schleswig-Holstein-Teamgeist würde der Stimmung nicht abträglich sein“, sagt Schleswig-Holsteins CDU-Landeschef mit Blick in Richtung Berlin. „Am Ende erwarten die Menschen von uns, dass wir geschlossene Koalitionsverträge umsetzen. Und dass wir in dieser Legislaturperiode unser Land wieder in Ordnung bringen.“

Ein explizites Lob gibt es dann aber doch für den aus Schleswig-Holstein stammenden Bundesaußenminister Johann Wadephul und dessen Aussagen zur Lage in Syrien: „Ich war da verdammt stolz, als du das gesagt hast“. Damit trifft Günther offenkundig den Ton auf dem Landesparteitag seiner Nord-CDU. Mit sehr großer Mehrheit wählen die gut 200 Delegierten den 52-jährigen Ministerpräsidenten erneut zu ihrem Landesvorsitzenden.

94,4 Prozent, rund zehn Prozent mehr als vor zwei Jahren, ein Rekordwert für den in der Union nicht immer unumstrittenen Günther, der der Partei im Norden seit 2016 vorsteht. Er hatte zuvor angekündigt, die CDU im Falle seiner Wahl auch in die Landtagswahl 2027 führen zu wollen. Es wäre nach 2017 und 2022 Günthers dritte Spitzenkandidatur. Zuletzt waren die Christdemokraten dabei mit 43,4 Prozent nur knapp an einer absoluten Mehrheit der Parlamentssitze vorbeigeschrammt.

„Bollwerk“ gegen die AfD

Eine forsche Kampfansage macht der Kieler Regierungschef dann aber doch in seiner 50-minütigen Parteitagsrede. Sie gilt vor allem der schleswig-holsteinischen AfD, einer Partei, die bisher nicht im Kieler Landtag vertreten ist, bei der Bundestagswahl im Februar aber landesweit auf 16 Prozent der Stimmen gekommen ist. Er wolle ein „Bollwerk gegen diese Partei“ sein, sagt Günther und nimmt sich vor, „unser Wahlergebnis vom letzten Mal zu toppen und für einen extremistenfreien Landtag zu sorgen“. Für dieses Ziel werde er „von diesem Tag an kämpfen“. Um es zu erreichen, will Günther sich und seinen Landesverband auch bundespolitisch weiterhin profilieren.

In Neumünster wollten die Parteitagsdelegierten dazu einen Leitantrag zur inneren und äußeren Sicherheit verabschieden, der zum Teil deutlich über die Beschlusslage der Bundes-CDU hinausgeht. In den fünf Kapiteln des 25-seitigen Papiers geht es um eine deutliche Stärkung sowohl der Bundeswehr als auch der Zivilen Verteidigung, um Schutz und Stärke der Wirtschaftsbetriebe, insbesondere in der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sowie den Kampf gegen Desinformation, Hass und Extremismus. Ein Dokument, das den Willen der Nord-CDU, vor allem aber ihres Chefs spiegelt, nicht nur die schleswig-holsteinische Landespolitik zu gestalten, sondern auch die Bundespolitik zu entschlossenerem Handeln zu bewegen.

Darin fordern Schleswig-Holsteins Christdemokraten unter anderem eine Änderung des Grundgesetzes, die den bisher nicht zulässigen Einsatz der Bundeswehr im Innern, zum Beispiel zur Abwehr von Drohnen ermöglicht. „Die Bundeswehr darf nicht durch die Zäune ihrer eigenen Liegenschaften beschränkt sein, sie muss im Inland tätig sein dürfen. Dafür muss das Grundgesetz – Art. 35 Grundgesetz – geändert werden (…)“, heißt es in dem Beschluss. Bisher darf die Armee im Innern nur bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen die zivilen Sicherheitsbehörden unterstützen.

In dem Leitantrag sprechen sich die Parteitagsdelegierten zudem „für die sofortige Einführung“ einer allgemeinen Dienstpflicht für Männer und Frauen aus, bei der „zwischen einem Dienst in den Streitkräften und einem zivilen Engagement“ gewählt werden könne. Dazu bedürfte es allerdings einer Verfassungsänderung, ohne die Frauen nicht zum Dienst an der Waffe verpflichtet werden dürften. Als ersten Schritt zu einer solchen allgemeinen Dienstpflicht nennen die Nord-Christdemokraten „eine unverzüglich und vollständige Wehrerfassung aller Männer und Frauen“.

Noch etwas ist der Nord-Union bereits seit geraumer Zeit wichtig und wird auch auf diesem Parteitag wieder betont. Unter dem Titel „Wir machen Schleswig-Holstein resilienter“ werden Maßnahmen zusammengefasst, mit denen Bund und Länder künftig Cyberkriminalität, Desinformation, Extremismus und Hass im Internet bekämpfen wollen. Angekündigt wird unter anderem die Gründung eines staatlichen „Kompetenzzentrums zur Abwehr von Desinformation“, das „Desinformationen monitoren, Fakten prüfen und die Öffentlichkeit sensibilisieren“ soll. Gefordert wird für die nationale Ebene zudem „eine gesetzliche Klarnamenpflicht bei der Registrierung in sozialen Netzwerken“ sowie die „konsequente Strafverfolgung auch digitaler Hassdelikte“.

Ulrich Exner ist politischer WELT-Korrespondent und berichtet vor allem aus den norddeutschen Bundesländern.

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