In einem 28-Punkte-Plan haben die USA ein mögliches Ende des Ukraine-Krieges skizziert. Der Kreml könnte mit Gebietsgewinnen aus dem Krieg gehen, die über die bisher eroberten Territorien hinausgehen. Seit Veröffentlichung des Plans stellt sich die Frage: Wie stark hat Russland an dem Plan mitgearbeitet? Oder legte der Kreml den USA sogar einen kompletten Entwurf vor?
Dass es sich um mehr als Spekulationen von Beobachtern handelt, zeigt unter anderem ein Beitrag des polnischen Premierministers Donald Tusk auf X. Die EU und die Ukraine, aber auch das Nato-Mitglied Kanada, waren bei dem Friedensplan nicht berücksichtigt worden. Sie konnten bei Verhandlungen mit den USA am Sonntag in Genf aber erreichen, dass Punkte, die die EU und die Nato betreffen, separat behandelt werden.
Tusk schrieb, dass es bei aller Gesprächsbereitschaft gut wäre, den ursprünglichen Urheber des Plans zu kennen. Denn aus Sicht der Europäer und der Ukraine begünstigen die 28 Punkte klar Russland.
Zunächst hatte die US-Regierung den Plan als ihren eigenen Entwurf dargestellt. Dann gestand die US-Regierung ein, dass Vertreter der USA und Russlands Ende Oktober in Miami an dem Plan gearbeitet hatten. US-Präsident Donald Trump betraute seinen Sondergesandten Steve Witkoff und seinen Schwiegersohn Jared Kushner mit den Gesprächen mit dem russischen Vertreter Kirill Dmitriew.
Dmitriew ist Chef des staatlichen russischen Fonds für Direktinvestitionen – kein Top-Diplomat, sondern ein Geschäftsmann, der einst in den USA an den Eliteuniversitäten Stanford und Harvard studierte. Dmitriew ist auf X sehr aktiv: Er betont in mehreren Beiträgen ausdrücklich, dass der Plan ein Vorschlag der US-Regierung sei und auch nicht von Russland an Journalisten durchgestochen wurde.
US-Senator: „Es ist nicht unser Friedensplan“
Mehrere US-Senatoren und Journalisten kommen aber zu anderen Schlüssen. Zwei Senatoren sagten am Samstag auf einem Sicherheitsforum in Kanada, der Plan sei vom Kreml geschrieben worden. Der Plan sei an die US-Regierung herangetragen worden, sagte der republikanische Senator Mike Rounds. „Es handelt sich nicht um unsere Empfehlung, es ist nicht unser Friedensplan“, sagte er unter Berufung auf ein Telefonat mit Außenminister Marco Rubio.
Rounds zufolge hatte eine nicht namentlich genannte Person den Plan dem US-Sondergesandten Steve Witkoff vorgelegt. Die Person sei als Repräsentant Russlands zu betrachten. Rounds fügte hinzu, die US-Regierung habe den Plan nicht veröffentlicht. „Er wurde geleakt“, sagte er weiter.
Senator Angus King (parteilos) zufolge ist der 28-Punkte-Plan „im Wesentlichen die Wunschliste der Russen“. Der Entwurf sei ein „Leitfaden, um die Streitpunkte zwischen der Ukraine und Russland einzugrenzen“, sagte er ebenfalls unter Berufung auf das Telefonat mit Rubio. Nun solle auf einen Frieden hingearbeitet werden, „der die Integrität und Souveränität der Ukraine respektiert, Aggressionen nicht belohnt und angemessene Sicherheitsgarantien bietet“.
Kurze Zeit später widersprach ihnen Außenminister Rubio auf X vehement. Er betonte, dass die USA Urheber des Plans seien. Dieser diene „als solider Rahmen für die laufenden Verhandlungen“. Er sei von den USA erstellt worden und basiere auf „Anregungen der russischen Seite, aber auch auf früheren und aktuellen Beiträgen der Ukraine“, schrieb Rubio.
Investigativjournalist über US-Friedensplan: „Russisches Konzept“
Ein Beleg für die These, der Friedensplan sei Washington von Moskau vorgelegt worden, sehen Investigativjournalisten in einigen Formulierungen der 28 Punkte. Der „Guardian“ kommt zu dem Schluss, der Plan sei ursprünglich auf Russisch verfasst und dann übersetzt worden. „An mehreren Stellen würde die Sprache auf Russisch funktionieren, wirkt jedoch auf Englisch seltsam“, heißt es.
So wäre die Formulierung „it is expected“ im dritten Punkt eine klobige Passivkonstruktion, die auf Russisch aber verbreitet sei. Zudem ist in Punkt zwei von „ambiguities“ (dt. Mehr- oder Zweideutigkeiten) der vergangenen 30 Jahre die Rede, die mit dem Friedensschluss beigelegt werden sollten. Außerdem wird im Friedensplan die Formulierung „neue Territorien“ für die von der Ukraine an Russland abzutretenden Gebiete aufgegriffen.
Investigativjournalist Christo Grosew geht noch einen Schritt weiter: Der bulgarische Journalist mit guten Kontakten nach Russland behauptet auf X, er habe eine frühere Version des Friedensplans vor sechs Monaten einsehen können. „Es handelte sich um ein rein russisches Konzept, das fast identisch mit dem heutigen Plan war“, schreibt Grosew. „Ich bin mir absolut sicher, dass dies ein russischer Vorschlag ist und kein gemeinsam entwickelter.“
Zwei Punkte allerdings würden in dem 28-Punkte-Plan fehlen: Ein Vorschlag, dass US-Investoren im Nachkriegsrussland investieren und eine neue „Allianz zwischen Russland und den USA gegen China“ – eine Art „christliche Allianz“. Diese beiden Punkte seien aber aus dem Plan gestrichen oder nicht öffentlich gemacht worden, vermutet Grosew.
Der US-Journalist Barak Ravid, der über den Plan als Erster auf dem Portal „Axios“ berichtet hatte, wies sämtliche Indizien, der Friedensplan sei von Russland verfasst worden, zurück. Er habe den Plan auch nicht von der russischen Seite erhalten und sich in eine Kampagne einspannen lassen, betonte Ravid am Sonntag auf X. „Das ist ein US-Plan. Ob es einem gefällt oder nicht“, schrieb er.
Seit Tagen zirkuliert der Entwurf des Friedensplans in US-Medien. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass Kiew auch bislang noch verteidigte Gebiete an Russland abtreten und ihre militärischen Fähigkeiten einschränken soll, etwa bei den Waffen mit hoher Reichweite und bei der Personalstärke. Zudem soll die Nato einen Verzicht auf jegliche Erweiterung erklären.
Bei Gesprächen in Genf einigten sich die USA und die Ukraine am Sonntag dann auf eine überarbeitete Version des Plans. Details sind noch unklar.
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