Der Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR) hat die Bundesregierung zu einem klaren Bekenntnis zur EU-Asylreform aufgerufen – und zu mehr Solidarität mit den Staaten an den EU-Außengrenzen. „Die Bundesregierung sollte sich uneingeschränkt und öffentlich zur Umsetzung der GEAS-Reform bekennen und dabei aktive europäische Solidarität zeigen“, sagte der Vorsitzende des Expertengremiums Winfried Kluth WELT. „Deutschland muss nicht nur seine eigenen Verpflichtungen erfüllen, sondern auch andere Mitgliedstaaten – insbesondere Erstaufnahmeländer wie Italien und Griechenland – praktisch und politisch unterstützen.“

Die EU-Asylreform lebe vom Engagement der Mitgliedstaaten und davon, dass sich alle an die gemeinsam beschlossenen Regeln hielten, so Kluth. „Umso wichtiger ist es, dass der – gemessen an der Bevölkerungszahl – größte Mitgliedstaat mit einem klaren Bekenntnis vorangeht.“

Mitte November hatte die EU-Kommission Überlegungen für einen Solidaritätsmechanismus im Rahmen der neuen EU-Asylreform vorgestellt, die ab 2026 gelten soll. Vier Länder sieht die Kommission „unter Migrationsdruck“ – namentlich Italien, Griechenland, Zypern und Spanien. Sie sollen im kommenden Jahr Unterstützungsmaßnahmen anderer EU-Staaten erhalten, etwa durch Geldzahlungen oder die Übernahme von Migranten.

Alle vier Staaten unterliegen aber auch neuen Verpflichtungen: Sie sollen an der Außengrenze Aufnahmezentren einrichten, in denen ein Teil der ankommenden Migranten das Asylverfahren direkt an der Grenze durchlaufen und im Falle einer Ablehnung unmittelbar abgeschoben werden soll.

Es müsse nicht um die „Übernahme von Asylbewerbern“ gehen, sagte nun der Vorsitzende des Sachverständigenrats Kluth mit Blick auf mögliche Unterstützungsleistungen von deutscher Seite. „Deutschland hat bereits mehr Flüchtlinge aufgenommen, als es die europäischen Regeln vorschreiben.“ Wichtig sei aber „das Signal an die Außengrenzstaaten, dass man sie bei den Grenzverfahren nicht allein lässt – wovon am Ende auch Deutschland profitiert“.

Die Bundesregierung könne „etwa organisatorisch und technisch unterstützen beim Aufbau und Betrieb der neuen Grenzeinrichtungen“, sagte Kluth. „Vor allem sollte sie öffentlich deutlich machen, dass sie die Inhalte der Reform nicht infrage stellt, sondern aktiv dazu beiträgt, dass sie in allen Mitgliedstaaten umgesetzt wird mit dem Ziel, die Verantwortung beim Flüchtlingsschutz in der EU gerechter zu verteilen.“

Deutschland will Belastung früherer Jahre anrechnen lassen

Der Plan der EU-Kommission sieht einen komplexen Solidaritätsmechanismus vor. Nur vier Staaten sollen Unterstützung erhalten. Allerdings müssen nicht alle übrigen EU-Staaten Solidarität leisten. So können Österreich, Bulgarien, Tschechien, Estland, Kroatien und Polen von Beiträgen ausgenommen werden, weil sie sich in einer „ausgeprägten Migrationslage“ befinden.

Die anderen Staaten sollen Italien, Griechenland, Zypern und Spanien unter die Arme greifen, können sich jedoch frühere Leistungen anrechnen lassen. Darauf zielt die Bundesregierung.

So betonte Regierungssprecher Stefan Kornelius, dass Deutschland keine Asylbewerber aufnehmen müsse, weil es sich Belastungen aus früheren Jahren anrechnen lassen könne. Die wichtigste Schlussfolgerung sei, „dass Deutschland 2026 keine Migranten aus anderen EU-Mitgliedsstaaten aufnehmen muss“, sagte Kornelius. Dies sei die Anerkennung der Leistung, die Deutschland bisher erbracht habe.

Über die Pläne der EU-Kommission für den sogenannten Solidaritätspool müssen die Mitgliedstaaten noch verhandeln. Sie haben dafür detaillierte Zahlen erhalten, die von der EU-Kommission bislang nicht öffentlich gemacht wurden.

Ricarda Breyton schreibt seit vielen Jahren über Migrationspolitik und rechtspolitische Themen.

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